1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. „Eine Stadt zeichnet: Lutherstadt Wittenberg“: Schülerinnen und Yadegar Asisi wollen möglichst viele Wittenberger zum Zeichnen bringen

„Eine Stadt zeichnet: Lutherstadt Wittenberg“ Schülerinnen und Yadegar Asisi wollen möglichst viele Wittenberger zum Zeichnen bringen

Mit einer neuen Aktion aus dem Stadtlabor wollen zwei Schülerinnen gemeinsam mit Künstler Yadegar Asisi die Kreativität der Wittenberger anregen. Was geplant ist.

Von Julius Jasper Topp Aktualisiert: 22.05.2024, 16:18
Künstler Yadegar Asisi, Abiturientinnen Carla Böckstiegel und Elise Ehrig, Ivana Rohr von Endboss und Oberbürgermeister Torsten Zugehör (v.l.).
Künstler Yadegar Asisi, Abiturientinnen Carla Böckstiegel und Elise Ehrig, Ivana Rohr von Endboss und Oberbürgermeister Torsten Zugehör (v.l.). (Fotos: Julius Topp)

Wittenberg/MZ. - Die Stadt voller Menschen, die sich über ihren Zeichenblock beugen, das ist die Vision, die die Schülerinnen Carla Böckstiegel, Elise Ehrig und Künstler Yadegar Asisi haben. Bei einer Ausstellung im Haus Hundertwasser des Luther-Melanchthon-Gymnasiums in Wittenberg im vergangenen Jahr lernten die beiden Elftklässlerinnen den Architekten und ehemaligen Hochschullehrer kennen, der deutschlandweit für seine Panoramen – in Wittenberg für die zum Reformationsjubiläum eröffnete Luther-Rotunde – bekannt ist.

Zeichnen ohne Hürden

Dabei entwickelte sich die Idee, die Bürger Wittenbergs an das Zeichnen heranzuführen und sie nach kurzen Workshops mit lokalen Kunstschaffenden mit Zeichenblock und Stift auf die Straßen zu entsenden. Mit diesem Vorschlag überzeugten die 16-jährige Carla Böckstiegel und ihre 17-jährige Freundin Elise Ehrig auch beim Ideenmarathon des Stadtlabors am Markt 3, das Anfang des Jahres gestartet war. Unter dem Titel „Eine Stadt zeichnet: Lutherstadt Wittenberg“ soll es nun Ende Juni eine Projektwoche geben, in der Teilnehmer sich erst hilfreiche Tipps in Kursen holen können und anschließend zeichnend durch die Stadt ziehen können. Die dabei entstandenen Bilder sollen dann im August in leerstehenden Geschäften in der Innenstadt ausgestellt werden. „Wir wollen damit anfangen und andere Städte mit der Idee infizieren“, sagte Yadegar Asisi bei der Vorstellung des Projekts am Mittwoch im Stadtlabor. Er hat bereits ein Logo entworfen – das würde auch mit dem Spruch „Eine Stadt zeichnet“ und anderen Städtenamen wie Dresden, Eisenach oder Pforzheim funktionieren, so der Künstler.

Dabei richte sich das Projekt nicht nur an die versierteren Zeichner, die sich bereits in Volkshochschulkursen oder Kunstgruppen fortgebildet hätten, sondern an alle, „die Lust darauf haben“. „Die Lust am Zeichnen schläft bei vielen in der Schule ein, sobald sie das Schreiben erlernen“, meint Asisi, der bei der Projektwoche ebenfalls einen Workshop geben will. Dabei sei die Zukunft der Bildung seiner Meinung nach die Persönlichkeitsentwicklung, da Informationen heute über das Internet viel leichter verfügbar seien, als noch zu seiner Kindheit, in der man stundenlang in der Bibliothek nach dem richtigen Buch suchen musste.

„Das Zeichnen ist eine Form, dieser Welt sinnlich zu begegnen“, findet Asisi und wenn man dies in der Schule rein ins Rationale schiebe, fehle etwas Wichtiges. Letztendlich gehe es beim Projekt nicht darum, besonders schöne Bilder zu erschaffen, sondern mit sehr einfachen Mitteln ein „Wir-Gefühl“ zu erzeugen. Auch deswegen habe man sich für das Zeichnen als simple Kunstform und gegen komplexere Darstellungen wie die Malerei entschieden. „Wenn es dann im nächsten Jahr ohne mein Zutun wieder stattfindet, dann ist es ein Erfolg“, findet der Künstler. Die beiden Schülerinnen hätten sich dermaßen charmant und hartnäckig mit ihrer Idee verkauft, dass man ihnen den Wunsch einfach erfüllen müsse, meint Ivana Rohr von Endboss, die das Stadtlabor im Auftrag der Stadt betreut.

Asisis Entwurf für ein Logo
Asisis Entwurf für ein Logo
(Foto: Topp)

Während Elise Ehrig in ihrer Freizeit gerne zeichnet, greift ihre Freundin Carla Böckstiegel eher ungern zum Zeichenblock. „Ich kann Strichmännchen malen, aber es kann ja nicht schaden sich neu inspirieren zu lassen“, sagt die Abiturientin. Sie finde es spannend, sich anstecken zu lassen und etwas zu schaffen, auf das man im Anschluss stolz sein könne. Beide betonen, dass es kein Wettbewerb um das schönste Bild sei, sondern eine gemeinschaftliche Aktion, an der sich alle beteiligen können, die mitmachen wollen.

Aufruf an andere Schulen

Aufgerufen seien ausdrücklich auch die Schüler der anderen Schulen im Stadtgebiet. Zu denen gebe es sonst selten Kontakt, sagen die beiden Schülerinnen des Luther-Melanchthon-Gymnasiums. Welche Motive entstehen sollen, sei relativ frei wählbar. Schön wäre etwas, das die Stadt widerspiegelt, also nicht die klassischen Stillleben mit Apfel und Vase, wie man sie im Kunstunterricht zu Papier bring. So könne etwa der Lieblingsplatz in der Stadt oder auch der „unschönste Fleck“ gezeichnet werden.

Wer die Seminare zum Auftakt der Projektwoche geben wird, die vom 22. bis zum 29. Juni gehen soll, stand am Mittwoch noch nicht fest. Neben Künstler Asisi habe man Kunstschaffende aus der Stadt, darunter ehemalige Kunstlehrerinnen, angefragt, sagte Oberbürgermeister Torsten Zugehör.

Die Aktion soll Teil des Jahresmottos „Kunst findet Stadt“ sein. Die Vernissage, die möglicherweise im Leerstand in der Innenstadt stattfindet, ist für den 10. August geplant.