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Schneiderstube in Wittenberg Schneiderstube in Wittenberg: Katrin Deisinger ist glücklich beim Nähen

Von Marcel Duclaud 25.10.2019, 16:16
Jubiläumskurs bei Katrin Deisinger (Mitte). Das Motto lautet: Näh dich glücklich. Wenn man der Wittenbergerin glauben will, soll das funktionieren.
Jubiläumskurs bei Katrin Deisinger (Mitte). Das Motto lautet: Näh dich glücklich. Wenn man der Wittenbergerin glauben will, soll das funktionieren. Alexander Baumbach

Wittenberg - Zum Jubiläum hat Katrin Deisinger für zwei Tage ein Ladengeschäft in der Collegienstraße gemietet. „Näh dich glücklich“ steht draußen zu lesen als Einladung. Und sie meint es genau so: Nähen kann etwas mit Selbstfindung zu tun haben, mit Achtsamkeit sowieso, weil es nicht sein kann, Klamotten nach fünfmaligem Tragen der Kleidersammlung zu überantworten. Nähen, sagt die Wittenbergerin überdies, sei Meditation, weil man Zeit für sich selber habe. „Ich kann einen Cut machen.“ Und kreativ ist jener, der sich Hose, Kleid oder Tasche selber schneidert, natürlich ebenfalls.

Nähen liegt wieder im Trend. Das merkt Katrin Deisinger nicht zuletzt an der Nachfrage nach ihren Kursen, die sie seit einiger Zeit bei der Kreisvolkshochschule gibt. Sechs sind es in diesem Jahr. Wartelisten gehören dazu. Zu den Teilnehmern zählen Menschen, die ihre Klamotten gerne reparieren können möchten und nicht wegwerfen, Mamas, die ihre Babys „benähen“ oder Omas, die Zeit haben und für die Enkel Kleidung fabrizieren möchten.

Der Bedarf nach diesem schönen alten Handwerk, das ein bisschen in Vergessenheit geraten ist in Zeiten, in denen billig Kleidung aller Art in großen Mengen erworben werden kann, steigt also. Was Katrin Deisinger nur freuen kann. Ihr Nähstübchen in Wittenberg existiert seit zehn Jahren und es war nicht immer einfach, weiterzumachen. „Es gab Momente, wo ich dachte, es geht nicht mehr“, räumt die 47-Jährige ein: „Aber ich habe nie aufgegeben, nach Veränderungen zu suchen.“

Sie begann mit einer Änderungsschneiderei: „Am 9.9.2009 habe ich mein Geschäft eröffnet.“ Es kamen Neuanfertigungen hinzu, beispielsweise Mittelaltergewänder fürs Stadtfest. Inzwischen verlegt sich Katrin Deisinger eher auf Nähkurse verschiedener Art - neben denen in der Volkshochschule bietet sie jeden Freitag in ihrem Geschäft in der Mittelstraße einen Schneiderkurs an (von 10 bis 21 Uhr), zudem mehrfach im Monat samstags Projektschneiderei von 9 bis 16 Uhr. Dann geht es um das Anfertigen eines bestimmten Stückes, zum Beispiel um Pulloverkleider.

Neben den Kursen ist sie selber gerne kreativ, Upcycling heißt das Zauberwort. Aus alten Kleidungsstücken werden neue Dinge gemacht, aus der abgelegten Jeans zum Beispiel eine Hand- oder Reisetasche. „Es ist schön, individuelle Stücke für sich selbst zu kreieren“, bemerkt die Wittenbergerin, die sich angekommen sieht nach einigem Hin und Her in ihrem Leben. Sie hat einst im Gummiwerk gelernt, Facharbeiterin für Plaste- und Elasteverarbeitung, musste Zeiten der Arbeitslosigkeit und „Depriphasen“ mit Rückzug ins stille Kämmerlein überstehen, absolvierte eine Weiterbildung als Einzelhandelskauffrau, arbeitete längere Zeit in einem Sportgeschäft in der Stadt.

Das Nähen kommt aus der Familie, von Oma und Mutter. Schon als Kind saß Katrin Deisinger an der Maschine: „Ich war Feuer und Flamme.“ Auf die Idee, aus dem Hobby einen Beruf zu machen, kam sie, als ihr selbst gefertigtes Stadtfestgewand für Aufmerksamkeit sorgte - und für Ermutigung.

Sie hofft nun, dass sich das kleine Geschäft künftig besser trägt, dass mehr Menschen wie sie entdecken, es kann erfüllend sein, Klamotten nicht nur im Laden zu kaufen, sondern selbst zu gestalten. Ihr Jubiläumsevent „Näh dich glücklich“ in der Collegienstraße 64 läuft übrigens auch am Sonnabend noch. Von 10 bis 22 Uhr kann gewerkelt werden mit Nadel und Faden, an diversen Nähmaschinen. Im Dreistundenrhythmus werden Grundkenntnisse vermittelt: Maß nehmen, zuschneiden. Gäste sind willkommen. (mz)