MZ-Restaurantkritik Restaurant "von Bora" Wittenberg: Restaurantkritik

Wittenberg - Luther - ein guter Esser und ein noch besserer Trinker. Und hätte der Reformator die Wahl, er würde heute wohl wieder bei seiner tatkräftigen Frau am Tisch sitzen: Katharina von Bora. Nach der ehemaligen Nonne benannt ist eine gastliche Stätte in ihrer einstigen Wirtschaft mitten in Wittenberg.
Tritt ein in den Hof, den schönsten der ganzen Altstadt. Das Schild des Luther-Hotels weist dem suchenden Gast sogleich den Weg. Mächtige Deckenbalken mit Bekenntnissen des berühmten Mönchs und Bibel-Übersetzers stimmen schon im Durchgang ein. Eine große Plastik, die die einstige Hausherrin in Szene setzt, lässt ahnen, wie kraftvoll sie den Kochlöffel schwingen konnte.
Adresse: Collegienstr. 54 a, 06886 Wittenberg
Tel: 03491/6286565
E-Mail: [email protected]
Internet: www.restaurant-von-bora.de
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 11 bis 23 Uhr,Montag und Dienstag geschlossen
Angebote: Hauptgerichte von 14,50 Euro bis 24,50 Euro, offene Weine ab fünf Euro (0, 2 l), der Merlot aus Jessen kostet 6,50 Euro
Extras: Zu Weihnachten und Silvester bietet das Restaurant für seine Gäste spezielle Menüfolgen an. Die Preise variieren zwischen 38 und 65 Euro pro Person.
Auf der Karte findet sich jedoch kaum Mittelalterliches. Statt Originalrezepte, was naheliegend wäre, dominiert Gutbürgerliches in moderner Aufmachung. Dieser Gegensatz überrascht, macht aber auch neugierig, was Sebastian Abel als gute Seele des Restaurants uns auftischen wird. Seiner Empfehlung in puncto Wein sollte man sich jedenfalls nicht verschließen: ein Merlot aus Jessen im östlichsten Zipfel von Sachsen-Anhalt.
In Erinnerung bleibt das milde Aroma, ein Mix aus Walderdbeeren und exotischen Gewürzen. Aber das winzige Anbaugebiet an der Schwarzen Elster,
30 Kilometer östlich der Lutherstadt, ist nicht der einzige Geheimtipp im „von Bora“. Doch bevor die kulinarische Expedition beginnt, naht der „liebe Gruß des Hauses“. Klein, aber oho - das ist der erste optische Eindruck, der sich später am Gaumen bestätigt.
Restaurant von Bora in Wittenberg: So schmeckt das Essen
Ein raffiniertes Doppel: Sauerrahm mit einer Farbnote, wie ihn wohl nur Beeren oder Rote Bete hervorbringen. Und es schwingt eine saftige Schärfe mit. Das liegt an einer winzigen Gabe von Meerrettich. Deftig auf andere Weise verwöhnt der zweite Teil: Backwerk, aufgerüstet mit Pökelfleisch und Mandeln. Darauf muss man erst einmal kommen.
Auf längere Wartezeiten müssen sich die Gäste im „von Bora“ nicht einstellen. Das Zusammenspiel zwischen Küche und Bedienung klappt wie am Schnürchen. Was in den wenigen Minuten auffällt, bis das Essen kommt, ist die dezente Ausstattung des hohen Raumes. Alles passt zueinander, die Tapete und das helle Licht, die Tischdecken, die Servietten mit Bora-Monogramm, die schlichten Möbel - eine große Tafel und acht kleinere Tische.
Ob das zubereitete Wild aus dem Fläming oder aus der Dübener Heide stammt, lässt sich auf die Schnelle nicht aufklären. Dass es sich aber bei den gewählten Hirsch-Medaillons auf Rosenkohl (24,50 Euro) um ein Meisterwerk handelt, steht nach den ersten Bissen außer Frage.
Sehr zart, die Fleischfaser kurz und fein, der Wildgeschmack unaufdringlich. Allenfalls die knusprigen Kartoffel-Taler sind vielleicht nicht jedermanns Sache. Auf Luther kann man sich dabei nicht berufen. Die tolle Knolle aus Amerika spielte zu seiner Zeit keine Rolle. Erst Friedrich der Große sorgte für die Verbreitung.
Bewährt und gut - dieses Prädikat erhält auch ein zweites Gericht: Gans mit Klößen (22 Euro), der vorweihnachtliche Klassiker schlechthin. Dabei wird das Rezept nicht neu erfunden. Im „von Bora“ macht man damit keine Experimente. Aber die sorgsame Verarbeitung aller Zutaten zahlt sich für den Gast aus. Übrigens, auch bei der Größe der Portionen. Hungrig geht da niemand nach Hause.
Ein Dessert? Ja, sonst entgeht einem im „von Bora“ etwas. Birne Helene (6,50 Euro) nach Art des Hauses, fein geschnitten und detailreich garniert. Auch diese Interpretation eines Klassikers kann sich sehen und schmecken lassen. (mz/dpa)
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