Odyssee eines Werks beendet
WITTENBERG/MZ. - Die Szene ist klar: Mikrophone sind auf die Akteure gerichtet. Acht Personen sitzen an einem Tisch. Ein Mann im roten Anzug kehrt dem Betrachter den Rücken zu. Neben ihm ein Mann mit schwarzer Hautfarbe im Tarnanzug. Über der Stuhllehne hängt ein Maschinengewehr. Außen stehen und sitzen junge Menschen. Zentral ist die Figur des Martin Luther. Von zwei Flügelseiten im Stile Lucas Cranachs oder Albrecht Dürers umrahmen die Szene ein nackter Mann und eine nackte Frau. Vor dem Bild steht ein Stuhl.
Dieses Gemälde von Uwe Pfeifer ist nun in der Stiftung Leucorea in Wittenberg zu sehen, doch es hat schon eine lange Reise hinter sich: Das Triptychon "Tischgespräch mit Luther" entstand als Auftragsarbeit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg anlässlich des Luther-Jahres 1983. Doch leicht hatte es dieses Gemälde von Anfang nicht. Das Ergebnis dieses Auftrags gefiel vor allen den politischen Lenkern in der DDR nicht: Es war schlichtweg zu provokant. "Auch in der Öffentlichkeit löste das Werk emotional konträr ausgetragene Dispute aus", erklärt Ralf-Torsten Speler am Dienstagabend bei einer Präsentation.
Speler ist der Leiter der Zentralen Kustodie und des Universitätsarchivs in Halle. Er kennt das Bild und seine Geschichte seit 1984. Durch die Diskussionen war es nur sehr kurze Zeit für die Öffentlichkeit sichtbar. Erst im November 1987 bekam das Bild einen Platz in der Aula der Universität, doch auch von dort verschwand es wieder. Nach der Wende gelangte das Gemälde erstmals nach Wittenberg, im Zuge einer Wanderausstellung künstlerischer Arbeiten, die zum Luther-Jahr 1983 in der DDR entstanden waren. So kam das Triptychon auch nach Göttingen, München oder Düsseldorf. Doch bei der Rückkehr nach Halle befand sich die Aula in Restaurierung - und wieder war kein Platz vorhanden. Wo es lagerte bleibt geheim - doch die Reise des Werkes hat nun ein Ende und das ist Wittenberg.
"Das Bild entstand in einer brisanten Zeit", meint Maler Uwe Pfeifer und spielt beispielsweise auf den damaligen Nato-Doppelbeschluss an. "Eigentlich ist es ein Friedensbild, wo Menschen demokratisch diskutieren. Ich sah den Auftrag, es zu malen, als Chance", erzählt Pfeifer, der das Bild im Alter von 36 Jahren malte. Der geborene Hallenser gilt als einer der wichtigsten Maler und Grafiker der Neuen Bundesländer und erhielt unter anderem 1984 den Kunstpreis der Stadt Halle, 1988 den Händelpreis des Rates des Bezirkes Halle und im Jahr 2002 den Publikumspreis Große Kunstausstellung Halle. Das Problem mit dem Bild zu DDR-Zeiten seien vor allem die vielfältigen Interpretationen gewesen, die auch heute noch möglich sind. Viele Frauen hätten sich auch über die Darstellung des Aktes aufgeregt: Insgesamt galt es als modern, wie auch die Kopfhörer des vermeintlichen Adam zeigen. "Es ist großartig, schwierig und kompliziert", fasst es Christine Grabbe, Geschäftsführerin der Stiftung Leucorea, zusammen und freut sich über die geglückte Zusammenarbeit der Institutionen.
"Luther sitzt wieder in seiner Universität", erklärt Speler, der gar nicht zu sagen vermag, wo das Bild überall schon gelagert war und wie viele Umstände seine Präsentation in der Vergangenheit verhinderten. Erst mit dem ausdrücklichen Willen von Grabbe gelangte es wieder nach Wittenberg. Hier wird es im Konferenzraum der Stiftung Leucorea präsentiert "und ist somit eine Beitrag zum 500. Reformationsjubiläum im Jahre 2010", meint Speler.