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Nordumfahrung Wittenberg Nordumfahrung Wittenberg: Langersehnte Nachricht in der Lutherstadt

Von Marcel Duclaud 17.03.2016, 18:37
Lange Proteste für die Nordumfahrung von Wittenberg. Nun steht die Strecke im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans.
Lange Proteste für die Nordumfahrung von Wittenberg. Nun steht die Strecke im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans. (C):ThomasKlitzsch

Wittenberg - „Der Mut hat uns nie verlassen“, sagt Eberhard Schulze, Stadtrat und Sprecher der Bürgerinitiative Dessauer Straße. Das war auch bitter nötig. Es hatte seine Zeit gedauert, um überhaupt ein Bewusstsein zu schaffen für die Notwendigkeit einer Nordumfahrung für Wittenberg. Die von Feinstaub- und Verkehrsbelastung genervten Anwohner haben protestiert, die Straße gesperrt, Schilder aufgestellt mit dramatischen Aufschriften: Ohne Nordumfahrung stirbt die Lutherstadt.

Lohnende Beharrlichkeit

Die Beharrlichkeit, die jahrelangen Kämpfe, der Weg durch die Institutionen - Schulze, parteilos, sitzt seit Jahren für die Linke im städtischen Bauausschuss - haben sich offenkundig gelohnt. Am Mittwochabend kam die langersehnte Nachricht: Die Wittenberger Nordumfahrung ist aufgenommen in den Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplanes - und zwar in die Kategorie vordringlicher Bedarf. „Das ist das, worum wir immer gekämpft haben, seit 16 Jahren, natürlich freuen wir uns“, sagt Schulze und räumt ein, dass es Zeiten gab, wo er nicht mehr mit einem Erfolg gerechnet hat.

Nun ist der Entwurf noch nicht beschlossen und ein Baubeginn lange nicht in Sicht, dennoch spricht Schulze von einem „Riesenpfund“ für die Region, weil im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans nicht nur die Nordumfahrung Aufnahme gefunden hat, sondern die komplette Trasse von der Autobahn bis zur Bundesstraße 2, sprich eben auch die lange geforderten Umfahrungen für Coswig und Griebo. Damit nicht genug listet der bis 2030 gültige Planentwurf weitere Ortsumfahrungen im Kreis Wittenberg auf: die für Jessen und Oranienbaum.

Als neues Vorhaben mit vordringlichem Bedarf ist auch der Bau einer Ortsumfahrung B 187 von Jessen bis Mühlanger in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden. Die Strecke umfasst rund 21 Kilometer, investiert werden müssten aus heutiger Sicht 48 Millionen Euro. Auch eine 3,8 Kilometer lange Ortsumfahrung Holzdorf steht drin, allerdings unter der Kategorie weiterer Bedarf. Schon seit Mitte der 1990er Jahre ist davon immer mal wieder die Rede. Mit ihr war auch die erstgenannte Ortsumfahrung im Jahr 2002 vom Land für den Bundesverkehrswegeplan 2003 bis 2015 angemeldet worden.

„Das ist nichts Neues bei uns“, sagt denn auch der Bürgermeister von Zahna-Elster, Peter Müller (Freie Wähler). Auf die Option einer Umfahrung war laut Müller schon der Flächennutzungsplan der Gemeinde Elster ausgerichtet - mittlerweile existiert die seit sechs Jahren nicht mehr. Die Trasse könne wegen der Elbe nicht anders verlaufen als nördlich von Mühlanger, Iserbegka und Elster, die jetzt noch wie auf einer Perlenschnur auf der B 187 aufgereiht liegen. Wenn das nun neue Priorität erlangt, „freut uns das besonders“, so Müller, denn: „Die Verkehrsbelastung wird sich noch potenzieren“, auch mit den angekündigten Investitionen der Bayerischen Milchindustrie und der Wiederbelebung des Mineralwasserwerkes, ehemals Troy Aqua, durch Edeka. Und auch der Lastverkehr aus Richtung Osten mit Zulieferungen für Biodieselwerk und Holzkraftwerk in Piesteritz sei enorm. (mz/teo)

Regelrecht überrascht zeigte sich gestern der Bürgermeister von Oranienbaum-Wörlitz, Uwe Zimmermann (Linke) von der Nachricht. Die Planungen liegen nach seinen Worten länger zurück: „Wir hatten das schon fast ad acta gelegt.“ Die Trasse soll von Dessau kommend entlang der alten Grubenbahn in Richtung Ferropolis führen, erinnert sich der Bürgermeister: „Für Ferropolis wäre das natürlich wunderbar“, erklärt Zimmermann - und für die geplagten Anwohner in Oranienbaum ebenfalls.

Portion Skepsis in Coswig

In Coswig ist unterdessen eine Portion Skepsis nicht zu überhören. „Erstmal abwarten“, bemerkt Thomas Schneider, der stellvertretende Bürgermeister. „Wir standen da ja schon einmal drin.“ In der vom Durchgangsverkehr schwer geplagten Stadt wird jetzt gehofft, „dass wir zügig dran sind. Schließlich warten wir sehr lange, seit Beginn der 1990er Jahre.“ Mit dem Bau, sagt Schneider, sollte „lieber heute als morgen begonnen werden“. Eine Entlastung für 2017, „wenn die Massen nach Wittenberg fahren“, ist natürlich längst abgehakt, völlig unrealistisch. Dabei waren die Pläne einst weit gediehen. Laut Schneider ist das Planfeststellungsverfahren allerdings gestoppt worden, wegen zweier Naturschutzgebiete.

„Begeistert“ hingegen äußern sich die Wittenberger Christdemokraten Frank Scheurell und Nathanael Lipinski. Mit der Einstufung der Ortsumgehung Coswig–Griebo und der Nordumfahrung Wittenberg in der Kategorie „Neue Vorhaben - vordringlicher Bedarf“ unterstütze das Bundesverkehrsministerium die „Entwicklung unserer Stadt und des Wirtschaftsraumes Wittenberg maßgeblich“. Sie weisen überdies darauf hin, dass die Komplettierung der Ostumfahrung absehbar sei. Der Bau der B 2n zwischen Trajuhn und Dresdener Straße ist bereits in großen Teilen realisiert. Was noch fehlt, ist das letzte Stück mit Anbindung an die Berliner Chaussee: Wittenberg könne sich freuen, „dass der dritte Bauabschnitt zeitnah realisiert und die östliche Ringstraße geschlossen wird“. Der Lückenschluss koste 7,3 Millionen Euro und stehe nunmehr als „fest disponiertes Vorhaben“ im Plan des Bundes. Das bringe Entlastung für die Bewohner von Lerchenbergsiedlung und Friedrichstadt und speziell für Anlieger der Dr.-Behring-Straße. Lipinski dankt ausdrücklich den Beteiligten: „Der Erfolg hat viele Hände.“ Insbesondere SKW Piesteritz habe mit der Ankündigung, einen Teil der Kosten zu tragen, dem Projekt „enormen Schub und Bekanntheit“ verschafft. Den Mitgliedern des Verkehrsausschusses im Bundestag sei die „SKW-Ortsumfahrung Wittenberg“ ein Begriff gewesen. „Das hat zweifelsfrei geholfen.“

Von einem „guten Tag für Wittenberg“ spricht Bürgermeister Jochen Kirchner, seit Jahren befasst mit dem Thema. Er interpretiert die Daten im vorliegenden Entwurf „als ein Projekt“. Soll heißen: Der Bund fasst die Trasse von der Autobahn bis zur B 2 in Wittenberg als eine große Maßnahme mit unterschiedlichen Bauabschnitten auf. Dafür spricht die angegebene Strecke: 24,1 Kilometer. Und die Summe: 104,5 Millionen Euro. Laut Kirchner ist für Coswig-Griebo die Planfeststellung beantragt, bei der Nordumfahrung der Vorentwurf der Planung in Bearbeitung. Auch der Bürgermeister will sich bedanken: bei Politik, SKW Piesteritz, Bürgern und Bürgerinitiative sowie Verwaltungen. Nur gemeinsames Agieren habe zum Erfolg geführt: „Jetzt müssen wir dranbleiben.“ (mz)