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Neujahrsempfang in Wittenberg Neujahrsempfang in Wittenberg: Kommunikativ und kurzweilig

Von Corinna Nitz 06.01.2019, 14:00
In seiner Rede zum neuen Jahr erinnerte Wittenbergs Oberbürgermeister auch an einige Mitmenschen, die das alte Jahr nicht überlebt haben.
In seiner Rede zum neuen Jahr erinnerte Wittenbergs Oberbürgermeister auch an einige Mitmenschen, die das alte Jahr nicht überlebt haben. Klitzsch

Wittenberg - Unterhaltsam, kommunikativ, kurzweilig und dennoch alles andere als kurz, so lässt sich der Neujahrsempfang der Lutherstadt Wittenberg am 4. Januar vielleicht am ehesten zusammenfassen.

Zum dritten Mal fand die Veranstaltung, deren Beliebtheitsgrad sich auch am raschen Ausverkauf der 600 Eintrittskarten messen lässt, im Stadthaus statt. Die MZ war vor Ort und präsentiert einige Schlaglichter.

Das Grusswort

Noch vor der Neujahrsansprache von Oberbürgermeister Torsten Zugehör (siehe „Aus der Rede“), gab’s ein Grußwort vom Ministerpräsidenten Reiner Haseloff, für den mit dieser Veranstaltung der Reigen der Neujahrsempfänge anfing.

Auch in diesem Jahr mussten die Besucher des Neujahrsempfangs nicht auf das eine oder andere Bonmot von Torsten Zugehör verzichten. Der Grundton seiner Rede war jedoch ein ernster, mahnend an mancher Stelle, etwa als er an den Angriff auf das Flüchtlingsboot am Schwanenteich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 2018 erinnerte, kaum dass die Gedenkveranstaltungen anlässlich der Pogromnacht vor 80 Jahren beendet waren.

Mitgestaltet hatte sie Wittenbergs Ehrenbürger Richard Wiener, der nun mit diesen Bildern aus der Stadt verabschiedet werden musste. Zugehör betonte, dass es „zur Wahrung unserer Demokratie und zum Schutz unserer Stadtgesellschaft rote Linien gibt, deren Überschreitungen nicht geduldet werden dürfen“ und die gegen „Aufweichung, Weichzeichnung und Relativierung“ verteidigt werden müssen. Was die Gesellschaft brauche sei „der Mut der Herzen, nicht die Wut der Schmerzen“. Er mahnte zudem eine zivilisierte Diskussionskultur an - in der Politik und in der Stadtgesellschaft. Dazu passte auch der Hinweis, dass Einzelne „mehr und mehr “ und „unabhängig von Sachverstand die Deutungshoheit über jegliche Themen“ beanspruchen.

Mehrfach gab es Zwischenapplaus, so als Zugehör den Stadt- und Ortschaftsräten für ihr Engagement dankte. Allein 2018 hätten diese mit 203 Beschluss- und 74 Informationsvorlagen sowie elf Anträgen gearbeitet. Einmal mehr betonte der Oberbürgermeister, dass die Entwicklung der Stadt wesentlich von der ICE-Anbindung abhängt. Und erneut erinnerte er daran, dass - wenn es um die Entwicklung der Stadt geht, sich jeder aktiv einbringen könne. Es gab Rück- und Ausblicke und die Überzeugung, dass Berücksichtigung derjenige erfährt, „der nicht nur aus einer schwierigen Situation sein Wort nach Magdeburg (...) richtet, sondern mit klugen Vorschlägen und Konzepten und in kollegialem Ton beharrlich für sich und seine Ideen wirbt“.

Dass der Auftakt in Wittenberg stattfand, freue ihn - wohl nicht nur, weil es seine Heimatstadt ist, sondern „weil man gerade am Beispiel von Wittenberg sehen kann, dass sich in den letzten Jahren vieles zum Positiven verändert hat“. Dass dies auch mit der Lutherdekade und dem Reformationsjubiläum zu tun hat, wurde freilich schon vielfach erwähnt. Haseloff weitete den Blick ins Land, sprach von hoher Beschäftigung und einer Wirtschaft, „die wachsen will“. Und doch: Die Welt sei 2019 nicht einfacher geworden, die „Europa- und Kommunalwahl wird auch ein Prüfstein für die Demokratie sein“, so der Christdemokrat, der angesichts manch unwürdig geführter Auseinandersetzung auch einen sorgsameren Umgang mit der Sprache anmahnte.

Die Künstler

Den musikalischen Rahmen zu Beginn des Empfangs lieferte mit Elena Bianchi und Jan P. Pajak das Duo „Zwei im Gartenhäuschen“ aus Wittenberg. Die Stückauswahl (u. a. „Imagine“ oder „Augen auf“, darin es heißt: „Wenn sie wieder marschieren, mit Parolen unsere Liebe zensieren...“) stand gut für sich, wirkte aber auch wie eine Art Verstärker von Zugehörs Rede. Für den Klassiker „What a wonderful World“ wurde aus dem Duo dann ein Trio, als der neue Jugendpastor der Stadtkirchengemeinde, Frank Koine aus Kenia, die Bühne betrat. Ihre Gage wollen Pajak und Bianchi übrigens an einen Pflege- und Adoptivfamilien-Verein weiterreichen.

Unter Gästen

Die Neujahrsempfänge der Stadt sind eine gute Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Manch einer, der schon gar nicht mehr in Wittenberg wohnt, kehrt (nicht nur dafür, aber dann eben auch) extra zurück. Etwa der frühere Stadtrat Nathanael Lipinski, der inzwischen im Bundestag arbeitet und in Berlin eine Familie gegründet hat. Was ihn an diesem Abend berührt hat? Dass auch einiger Verstorbener gedacht wurde, das gehöre für ihn ebenfalls zu einem Neujahrsempfang. Tatsächlich hatte Zugehör an einige Menschen erinnert, die 2018 gegangen sind und in unterschiedlicher Weise wichtig für Wittenberg waren. Zugehörs Rede war immer mal wieder Gesprächsthema unter den Gästen. „Brillant und inspirierend“, nannte sie die Leiterin des Luther-Melanchthon-Gymnasiums, Anja Aichinger, und ihre Kollegin Heike Masser erklärte: „Wir haben einen Oberbürgermeister, der den Mut zum klaren Wort hat.“ Erstmals bei einem Neujahrsempfang dabei war der Bonner Pfarrer Siegfried Eckert, der 2018 in Wittenberg das Forum Reformation gegründet hat, dem auch Zugehör angehört und über den Eckert sagte: „Er zeigt Haltung und ist trotzdem jemand, der den Kompromiss sucht.“ Und könne man nicht nur so eine Gesellschaft zusammenhalten?

Am Buffet

Dafür, dass niemand „unterhopft oder unterversorgt“ (Zugehör) blieb, sorgten einmal mehr die HDV-Caterer. Ob warm, kalt, pikant, süß, mit oder ohne Fleisch - es dürfte sich für jeden Geschmack etwas gefunden haben. Auch in diesem Jahr hatte man auf dem Hof des Stadthauses zusätzlich zu den Offerten im Inneren zwei Zelte aufgebaut.

Hinter den Kulissen

Dass viele zum Gelingen einer solchen Veranstaltung beitragen, ist eine Binse. Nach Auskunft von Stadtsprecherin Karina Austermann war allein die HDV mit insgesamt 35 Personen an der Vorbereitung und Durchführung beteiligt. Dazu kamen elf Rathausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die zum Teil hinter den Tresen standen und zwar gern, wie Austermann am Morgen nach dem Empfang betont. Der verlief bis zum Ende „völlig spannungsfrei“. Und wann war Schluss? Zwischen 3 und 3.30 Uhr, da hätten sie das Licht im Saal „angemacht“, in dem nach 23 Uhr auch getanzt wurde. Das Licht endgültig ausgemacht hat dann Dirk Wald vom Stadthaus. Und weil nach dem Empfang vor dem Empfang ist, werden erste Ideensammlungen für 2020 wohl nicht lange auf sich warten lassen.

(mz)

Jan P. Pajak (l.), Elena Bianchi, Frank Koine: „What a wonderful World...“
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Klitzsch
Diese lieben Kleinen besangen die Freiheit der Gedanken.
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Klitzsch
Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen: Die Kulinarik ist zum Neujahrsempfang der Stadt Wittenberg jedenfalls nicht unwichtig.
Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen: Die Kulinarik ist zum Neujahrsempfang der Stadt Wittenberg jedenfalls nicht unwichtig.
Th. Klitzsch