Nachruf Nachruf: Sein Herz gehört der Elbe
WITTENBERG/MZ - Sein Herz schlug für Kleinwittenberg und die Elbe, seine Elbe, die er tagtäglich vor Augen hatte und um deren Höhen und Tiefen er wusste. Jedes Schiff erkannte Karl Jüngel schon, sobald es in Sicht kam. Und er konnte leidenschaftlich streiten, wenn es um die Schiffbarkeit des Flusses ging.
Geboren in Kleinwittenberg
Völlig überraschend starb Karl Jüngel am 23. Januar nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 70 Jahren. Geboren wurde er in Kleinwittenberg, auch deshalb kannte er dort jeden Stein und jedes Haus. In Magdeburg lernte er den Beruf des Stahlschiffbauers, durfte aber in dem Beruf nicht arbeiten, sagt Ehefrau Ursula, die 51 Jahre mit ihm verheiratet war. „Er war Hauptmechaniker und technischer Direktor in Wittol und der Blechwarenfabrik Rothemark.“
Nach der Wende machte sich der Diplom-Ingenieur selbstständig, war als Vertreter für Fenster und Fertigdecken unterwegs. Er vermittelte über seine Agentur Schiffsreisen für Gruppen auf der Elbe, und er reiste selbst gern mit seiner Frau, natürlich per Schiff. Zur goldenen Hochzeit durchfuhren sie den Panama-Kanal. Doch letztlich zog es ihn immer wieder heim, in den Ort, über dessen Geschichte er akribisch alles sammelte, was er an Texten und Bildern fand. „Er hat Kleinwittenberg geliebt. Und nachdem er nicht mehr gearbeitet hat, befasste er sich noch mehr damit“, erinnert sich Ursula Jüngel.
Zwölf Bücher und unzählige Artikel hat Karl Jüngel geschrieben. Auch die Mitteldeutsche Zeitung hat von seinem Wissen profitiert. Er konnte Geschichten über alte Raddampfer und moderne Passagierschiffe erzählen, erläuterte den Lesern ein Karpfenfloß und informierte, wenn ein Sondertransport auf der Elbe unterwegs war. Sein letztes, richtig großes Projekt war eine Historie von Kleinwittenberg, die als Band 16 in der Schriftenreihe der Städtischen Sammlungen erscheinen wird (siehe „Chronik als...“). Gemeinsam mit dem Leiter der Städtischen Sammlungen, Andreas Wurda, hat er in den vergangenen Wochen und Monaten an den letzten Details gearbeitet. Die Nachricht vom Tode Jüngels kam auch für Wurda sehr plötzlich. „Drei Jahre hat er daran geschrieben, wir sind in den groben Zügen fertig geworden“, sagt Wurda. „Es war ihm ganz wichtig.“ Jüngel hatte sich sehr auf das Erscheinen dieses Buches gefreut, der Termin war wegen Jüngels Erkrankung verschoben worden.
Die Elbe als rege genutzter Verkehrsweg, das war sein Traum. Doch wer ihn nur als Verfechter der Interessen der Schifffahrt sah, tat ihm Unrecht. Karl Jüngel liebte auch die Natur am Fluss, und er wusste, dass, wenn sich die Elbe im Laufe der Zeit tiefer in den Untergrund eingräbt, die grünen Elbauen irgendwann austrocknen. Unvergessen wird die von ihm organisierte Begrüßung des letzten Heckradschleppers „Beskydy“ bleiben, der im Juni 2012 auf der abschließenden Fahrt in Kleinwittenberg Station machte und inzwischen vor dem Abwracken gerettet ist.
Letzte Ruhe auf See
Seine letzte Ruhe wird Karl Jüngel auf See finden. „Er wollte immer in der Elbe bestattet werden, aber das ist nicht möglich“, so Ursula Jüngel. In Hamburg wird es daher eine Elbe-Abschiedsfahrt geben. Und in der Nordsee ist ja schließlich auch reichlich Elbwasser drin.