Mitten im Leben Mitten im Leben: "Geistreicher Spaß" in Wittenberg

Wittenberg - Superman kann fliegen, Spiderman erklimmt Häuserfassaden. Letzteres gelingt auch Eckhard Doblies. Nachdem er eine der verschlossenen Türen der Wittenberger Exerzierhalle ins Visier genommen hatte (ganz frei nach Ex-Kanzler Schröder: Ich will da rein!), entscheidet er sich anders. Und landet mit einem kühnen Sprung und ein paar kräftigen Armzügen in gut zwei Metern Höhe zwischen zwei Fenstern.
Skurrile Situationen
Doblies ist Schauspieler, die sportliche Nummer neulich am Sonnabend an der Exerzierhalle bringt der Endvierziger für den MZ-Fotografen, was einen Beamten vom benachbarten Polizeirevier auf den Plan ruft. Das Gespräch ist ebenso kurz wie freundlich, dann geht jeder wieder seiner Wege. Doblies’ Weg führt an der frisch sanierten Halle vorbei, in der er am Donnerstag und Freitag den Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling gibt. Dann macht das Theaterstück „Ein Eichenkranz für Luther“ nach erfolgreichen Vorstellungen in Wörlitz zweimal in Wittenberg Station (siehe „Illustre Gäste“).
Fachkundig mustert Doblies die Exerzierhalle, die zur 1880 bis 1883 erbauten Kavalierkaserne gehörte. „Wenn man an alter Bausubstanz nichts macht, steht die nach 200 Jahren immer noch“, sagt der Künstler aus Hermsdorf bei Irxleben, der nicht ahnen kann, wie heruntergekommen das Bauwerk noch bis vor kurzem war.
Doch weiß er, wovon er spricht, denn Doblies hat vor seinem Schauspielstudium eine Ausbildung zum Steinmetz in einem Leipziger Denkmalschutzbetrieb gemacht. Und neben seiner künstlerischen Arbeit ist der Mitbegründer der Kammerspiele Magdeburg u. a. als Bauunternehmer aktiv.
Das kann zu skurrilen Situationen führen, etwa wenn er Probenpausen nutzen musste, um am Telefon eine Immobilie zu verkaufen. Aktuell ist Doblies auf einer nicht eben unbedeutenden Baustelle in Dessau im Einsatz, was dieser Tage einige Verwirrung beim Schauspieldramaturgen des Anhaltischen Theaters und Autor des Luther-Stückes, Andreas Hillger, stiftete. Noch am Vorabend hatte dieser Doblies auf der Bühne gesehen und nun hantierte der Schauspieler auf einem Flachdach.
Doblies, der nebenher auch noch einen Natursteinhandel betreibt, sagt, es sei mehr als nur ein zweites Standbein, denn: „Auch das wirkliche Leben ist sehr spannend, und das kann ich wunderbar auf die Bühne übertragen.“ Wäre es bei seiner Biografie nicht naheliegend gewesen, ihm im „Eichenkranz für Luther“ die Rolle des Bildhauers Johann Gottfried Schadow zu geben? Doblies winkt ab, nicht nur, weil man natürlich immer seine Stück-Figur verteidigt.
Vor allem sei Schellings philosophische „Ebene“ auch seiner privaten Ansicht nahe, dass es nämlich im Leben keine Zufälle gebe, sondern nur Dinge, „die einem zufallen“. Spricht’s und deklamiert: „Ob sich der Weltgeist dabei etwas gedacht hat? Es ist doch nichts dem Zufall überlassen!“
Historischer Hintergrund
Besucht haben Schelling und Schadow den „Eichenkranz“ in Wörlitz nachweislich, ebenso der Architekt Karl Friedrich Schinkel und der Publizist Georg Friedrich Rebmann, der seine Texte bisweilen unter dem Pseudonym Anselmus Rabiosus d. J. veröffentlichte.
Den historischen Hintergrund für das Stück liefern wie berichtet die Niederlage Napoleons und die Rückkehr der Quadriga auf das Brandenburger Tor, das wieder gewonnene Selbstbewusstsein Preußens sowie u. a. das anstehende Reformationsjubiläum 1817 und die damit verbundene Debatte um ein Luther-Denkmal für Wittenberg.
Jetzt also ist das fiktive Spiel mit der realen Geschichte, das der MZ-Kritiker nach der Premiere zu Recht einen „geistreichen Spaß“ nannte, in Wittenberg zu erleben. Es spielen Conny Mews und Markus Breitenhuber, Michael Günther, Benjamin Schaub - und natürlich der Tausendsassa Eckhard Doblies. (mz)