Mietnomaden Kreis Wittenberg Mietnomaden Kreis Wittenberg: Vermieter in Globig ist schockiert über riesige Müllberge

Globig - Die Häuser waren ursprünglich als Altersvorsorge gedacht: „Anstatt einer Lebensversicherung“, sagt Andreas Sorbjan, der in Nordrhein-Westfalen in der Nähe von Dortmund lebt und Besitzer zweier Grundstücke in Globig-Bleddin ist. Jetzt will er die nur noch loswerden - und das liegt an den ausgesprochen schlechten Erfahrungen, die Sorbjan als Vermieter gesammelt hat.
Dass er damit nicht alleine ist, lässt sich immer wieder vernehmen - nicht zuletzt im Kreis Wittenberg. Gerade die „kleinen“ Vermieter ohne Erfahrungen und großen Mitarbeiterstab haben mit Phänomenen zu kämpfen, die als „Mietnomadentum“ bezeichnet werden. Mieter bleiben die Miete schuldig und sind eines Tages schlicht verschwunden. Bisweilen machen ihnen auch die so genannten „Messies“ (abgleitet vom englischen Wort mess - Unordnung) das Leben sehr schwer.
„Das ist in der Tat ein Problem“, sagt Gerald Happ, Geschäftsführer beim Verband Haus und Grund angesichts von Mietnomaden und Messies. „In einer Wohnung kann ein Mieter relativ viel machen.“ Für Vermieter sei es schwierig, Zutritt zu bekommen. „Der Mieter hat das Hausrecht.“ Man müsse einen Termin vereinbaren. Und gerade Messies versuchen aller Erfahrung nach zu verhindern, dass jemand ihre Wohnung betritt. Bisweilen bleibe dem Eigentümer nur, übers Gericht zu gehen und ein Besichtigungsrecht einzuklagen. Und das kann dauern. Unter anderem deshalb bleiben Wohnungen von Messies nicht selten lange Zeit unentdeckt. Happ rät, wenn solche Fälle ruchbar werden, einen Sozialdienst einzuschalten.
Bei den großen Wohnungsgesellschaften in Wittenberg ist die Lage eher entspannt. „Das ist nicht ständig auf der Tagesordnung“, sagt Antje Bitter, Vorstandsvorsitzende der Wohnungsbaugenossenschaft. „Wir hatten in den letzten Jahren vielleicht zwei, drei Messie-Fälle - und einen aktuellen.“ Dass die ernst zu nehmen sind, betont Antje Bitter indes: „Wenn Wohnungen so vollgestellt sind, kann Gefahr in Verzug sein.“ Festgestellt werden könne derlei etwa bei der jährlichen Kontrolle der Rauchmelder. Bestehe ein Verdacht, werde die Wohnung besichtigt und der Mieter zum Entmüllen aufgefordert. Wird bei der Kontrolle festgestellt, dass das nicht geschieht, folge eine Räumungsklage. Dass die nicht einfach durchzusetzen sei, räumt Antje Bitter aber ein. Schnell zu reagieren - mit Mahnung und gegebenenfalls einer Kündigung - sei auch bei Mietschulden empfehlenswert, um gar nicht erst große Rückstände auflaufen zu lassen. (mz/mac)
Andreas Sorbjan kann bei seinen beiden Häusern von beiden Fällen berichten. „Ich habe gleich zweimal Pech gehabt und vom Vermieten jetzt die Nase voll.“ Eine Familie, die sich „mit sämtlichen Nachbarn verkracht“ habe und ihm beträchtliche Beträge schulde, sei „abgehauen“, nach Ungarn, wie Gerüchte besagen.
Die Mieter des anderen Hauses haben in der vergangenen Woche für Entsetzen gesorgt, weil sie in erschütternd vermüllten Räumen unter sehr fragwürdigen hygienischen Verhältnissen lebten - und das laut Sorbjan mit einem elfjährigen Kind, für das die Oma das Sorgerecht besitze.
„Ich musste würgen, als ich in das Haus gekommen bin“, berichtet der Mann aus Nordrhein-Westfalen: „Total zugemüllt, bis unters Dach. Und ein furchtbarer Gestank. Wir haben bislang rund 15 Kubikmeter Müll aus dem Haus geräumt.“ Seine Lebensgefährtin Angela Faroß mit Wurzeln in Globig ist Tage danach noch fassungslos: „Mich hat der Schlag getroffen“, berichtet sie vom ersten Eindruck. Sie spricht von toten Ratten und Kaninchen, von Ungeziefer und furchtbarem Schmutz - und fragt, warum sie keine Unterstützung von den Behörden bekomme.
Das Ordnungsamt in Kemberg habe abgewinkt, die Polizei ebenso. Ganz davon abgesehen brauche die offenkundig völlig überforderte Frau, die vor wenigen Wochen ihren Mann verlor und jetzt mit der Enkelin alleine ist, Hilfe. Irgendwo neben Müll und den Kadavern im Kaninchenstall fanden sich nach den Worten von Angela Faroß nicht nur etliche ungeöffnete Briefe, sondern auch eine Geldkarte und die Gesundheitskarte des Mädchens.
Geahnt hatten die Hausbesitzer von derartiger Verwahrlosung nichts. Die Familie war 2012 in das Globiger Haus eingezogen und hatte zunächst die Miete ordnungsgemäß überwiesen. Dann häuften sich ausbleibende Zahlungen. Inzwischen belaufen sich die Mietschulden zuzüglich der Anwaltskosten nach Angaben von Andreas Sorbjan auf etwa 8.000 Euro. Das Haus komplett zu beräumen und wieder so herzurichten, dass es bewohnbar ist, würde weitere Mittel verschlingen - Sorbjan geht von 15.000 Euro aus und fürchtet, auf den Kosten sitzen zu bleiben.
Ein Zwangsräumungstermin stand bereits im April an, der wurde verlegt wegen der Beerdigung des Mannes. Jetzt ist die Mieterin der Räumung zuvor gekommen und zog freiwillig aus. Müll und verzweifelte Hausbesitzer hat sie zurückgelassen. (mz)