Marktbrunnen in Wittenberg Marktbrunnen in Wittenberg: Ab dem 10. September fließt das Bier

Wittenberg - Keine Frage, an diesem Brunnen werden sich die Geister scheiden. Ein „Bonbon“ hatte dessen Schöpfer, der Leipziger Bildhauer Markus Gläser, den Wittenbergern versprochen und ein Bonbon, werden jetzt manche seufzen, ist es tatsächlich geworden. Mit kräftigen Farben auf weißem Grund sticht der komplett neu gebaute Marktbrunnen seine Umgebung locker aus.
Dass die 1617 errichtete Zapfstelle tatsächlich mal bemalt war und dass die Farben der Renaissance selbstredend mit der Denkmalpflege abgestimmt sind, dürfte stets murrbereite Wittenberger - darin vielleicht nur noch übertroffen von den Berlinern - nicht von kritischen Anmerkungen abhalten. Oder?
Die Stadt gießt Bier drüber. Am übernächsten Sonntag, zum Ende der Weltausstellung und danach - fast - immerdar, soll neben Wasser Bier fließen aus dem alles in allem rund 400.000 Euro teuren Brünnle (10. September, 17.30 Uhr). Der Oberbürgermeister macht gute Miene zum bunten Spiel. „Ja“, sagt Torsten Zugehör, das sei nun in der Tat ein „ungewöhnlicher Blick“, an den „wir Wittenberger uns erst noch gewöhnen müssen“. Aber: „So sah er wirklich aus.“ Das Mittelalter mag in mancherlei Hinsicht dunkel gewesen sein, die DDR mausegrau, aber die Renaissance war beides definitiv nicht.
Und was sagt der Künstler? „Die größte Veränderung“ sei zweifellos die Farbe, Silikatfarbe, um genau zu sein, früher habe man Ölfarbe genommen, damals auch zur Konservierung. In einem halben Jahr aber, prognostiziert der Bildhauer und Restaurator, werde den Wittenbergern ihr Brunnen schon „sehr vertraut“ vorkommen. Wer mag sich schon ein „Fetischbewusstein Materialsichtigkeit“ vorwerfen lassen.
Marktbrunnen in Wittenberg: Keins der alten Teile war mehr verwendbar
Was vertraut ist, was nicht, was historisch, was nicht, das war beim Wittenberger Marktbrunnen immer so eine Sache. Der Vorgänger der Steingussreplik aus Gläsers Gohliser Werkstatt zählte in Wahrheit keine 50 Jahre, als der Künstler ihn im Frühjahr 2016 mitnahm nach Leipzig. „Kein Originalteil“ sei mehr erhalten gewesen im DDR-Modell von 1967 (ja, Bier gab’s damals auch), erklärt Anke Rosonsky vom städtischen Fachbereich „Öffentliches Bauen“, Schwerpunkt Denkmale. Und selbst von diesen vergleichsweise jungen Teilen hätten sich nur wenige als wiederverwendbar erwiesen, daher der Total-Neubau, der allein 15 Monate beanspruchte.
Vorausgegangen war ein schwieriger Prozess: Gläser stand vor der Aufgabe, aus wenig bis nichts - historische Unterlagen gab es laut Rosonsky keine, einige wenige Originalteile fanden sich im Depot in Seegrehna - einen Renaissance-Brunnen zu kreieren und diesem damit auch die ursprünglichen, über die zahlreichen Umbauten verlorenen gegangenen Proportionen zurückzugeben.
Ein „Eyecatcher“, ein Hingucker sei’s geworden, findet Hans-Joachim Herrmann, der als Stadtwerke-Chef in verschiedenen ehrenamtlichen Funktionen seinen Anteil am Gesamtkunstwerk hat: Gut 55.000 Euro waren über Aktionen etwa der Röhrwassergewerkschaft und der Rotarier zusammengekommen, auch kommunale Firmen und Oberbürgermeister a. D. Eckhard Naumann trugen beachtliche Scherflein bei.
(mz)