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Lutherstube Lutherstube Wittenberg: Wohnung von Reformator Martin Luther wieder geöffnet

Von Andreas Montag 04.03.2017, 01:00

Wittenberg - Wer kann schon wissen, ob ihn der Rummel um seine Person und sein Wittenberger Haus, das nun wieder geöffnet wird, nicht doch sehr gefreut hätte? Diverse Ausstellungsstücke haben zuletzt in den USA Eindruck gemacht.

Martin Luther steht im Übrigen nicht im Ruf, ein scheuer Gelehrter gewesen zu sein, sondern, bei allen Zweifeln und Irrtümern, ein selbstbewusster Mann. Am 31. Oktober 1517, direkt zum Thesenanschlag, hat der Mansfelder seinen Namen endgültig von Luder, wie er ursprünglich hieß, in Luther geändert.

Wird Martin Luther heilig gesprochen? Wohnung des Reformators in Wittenberg zu besichtigen

Überhaupt war schon gespottet worden, zum 500. Jubiläum der Reformation würden die Protestanten ihren Luther heilig sprechen wollen. Ein Scherz mit Hintersinn, der auf die Inszenierung Luthers zur Lichtgestalt anspielt.

Freilich wäre das Anliegen, wenn man es einmal ernst nehmen wollte, schon an Verfehlungen wie dem wüsten Judenhass gescheitert, in dem der ehemalige Augustinermönch, seinerzeit durchaus zeitgemäß, befangen war.

Dabei ist sein neues Gottesbild, das den verzeihenden, liebenden Herrn an Stelle eines rachsüchtigen Chefs im Himmel in den Mittelpunkt des christlichen Glaubenserlebnisses rückt, wahrhaftig ein Wurf.

Und schon ist man unversehens zugleich in die Debatte verstrickt, was denn 2017 eigentlich gefeiert wird - Luther oder nicht doch vielmehr die Reformation? Es wird ein akademischer Streit bleiben. Sicher dürfte immerhin sein, dass Luther der richtige Mann zur richtigen Zeit gewesen ist - nicht wie Jan Hus, der 100 Jahre zuvor und damit ein Jahrhundert zu früh als fundamentaler Kritiker des Papsttums an den Start gegangen und tragisch auf dem Scheiterhaufen geendet war.

Und so unzweifelhaft richtig es ist, dass Luthers Reden und Tun vor und nach dem berühmten Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 Ausdruck einer verbreiteten, empörten Grundhaltung war, kommt man doch an der Person Luthers nicht vorbei.

Der streng erzogene, nach Bildung und Glauben strebende junge Mann aus dem Mansfelder Land ist eben auch ein Charismatiker gewesen, ohne dessen Zutun die Reformation zumindest nicht den gleichen Verlauf genommen haben würde - und vielleicht auch nicht an diesem Ort.

So aber ist Wittenberg in das Weltkulturerbe eingegangen, die Touristiker wissen es zu schätzen. Und in der Stiftung Luthergedenkstätten ist man auch nicht böse darüber, allerdings geht der Massenansturm zumal auf die Lutherstube nicht spurlos an den historischen Räumlichkeiten vorüber.

Direktor der Stiftung Stefan Rhein: „Die Geschichte der Lutherstube endet nicht mit Luthers Tod“

Immerhin 1,3 Millionen Menschen sind bis zur zeitweiligen Schließung durch das Allerheiligste der Protestanten marschiert, nun ist die Lutherstube, erstmals seit 50 Jahren, für Reinigungs- und Reparaturarbeiten geschlossen gewesen.

Stefan Rhein, Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, spricht von der „Biografie der Gebäude“, die „Teil der protestantischen Memorialkultur“ seien. „Die Geschichte der Lutherstube endet nicht mit Luthers Tod 1546, sondern ist Teil der Wirkungsgeschichte“, sagt Rhein. Und die ist erheblich, wie man nicht nur an der Zahl der Besucher, sondern auch an ihren hinterlassenen Selbstzeugnissen sehen kann.

Bis 1783, als man Besucherbücher einführte, um dem Drang des Publikums nach Kundgebung einen Kanal zu schaffen, bekritzelten viele Gäste unbefangen die Wände mit Graffiti, wie man sie heute noch allerorten antreffen kann: „Ich war hier“ ist viel älter, als man gedacht hätte.

Die Besucherbücher indes haben nicht nur dazu beigetragen, die Wände der Lutherstube zu schonen, sondern geben natürlich auch Einblick, aus welchen Schichten und Kreisen die Gäste kamen. Viele einfache Menschen seien darunter gewesen, sagt Stefan Rhein, auch Soldaten und schon früh ausländische Gäste.

Genauer und systematisch erforscht sind die erhaltenen Bände noch nicht, immerhin finden sich in Stefan Laubes Buch „Das Lutherhaus Wittenberg - eine Museumsgeschichte“ ein paar illustre Beispiele. Der Band ist in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig erschienen und gehört zur Schriftenreihe der Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt.

Lutherstube Wittenberg: August von Kotzebues Mörder besuchte ebenfalls das Lutherhaus

So stattete Karl Ludwig Sand, eine der Gründerfiguren der Burschenschaften, der Wittenberger Lutherstube im Herbst 1818 einen Besuch ab - ein halbes Jahr, bevor er in Mannheim den scharfzüngigen Dichter August von Kotzebue, einen politischen Gegner, erstach, dafür zum Tode verurteilt und ein Jahr später hingerichtet wurde.

Sich dieser Schauergeschichte genauer zu erinnern, wird in diesem Jahr vielleicht die Zeit fehlen - da sich doch alles um Luther und die Reformation dreht und immer noch etwas Neues geboten werden soll. In Wittenberg wird dies das erklärte Ziel der großen, im Mai zu eröffnenden Sonderschau im eigens dafür hergerichteten Augusteum beim Lutherhaus sein - eine der drei Nationalen Ausstellungen zum Thema Reformation in diesem Jahr.

Den Weg des Mönchs zum Reformator wollen die Wittenberger nachzeichnen, darunter anhand der lange unbeachtet in der Universitäts- und Landesbibliothek Jena liegenden, dann von dem Wittenberger Martin Treu entdeckten Notiz, die Luthers Gefolgsmann und Sekretär Georg Rörer (1492-1557) hinterließ: „Am Vorabend des Allerheiligenfestes im Jahre des Herren 1517 sind von Doktor Martin Luther Thesen über den Ablass an die Türen der Wittenberger Kirchen angeschlagen worden.“

Ist der Thesenanschlag keine Mär?

Der Vorabend von Allerheiligen ist der 31. Oktober. Und somit wäre auch der lange währende Streit, ob der Thesenanschlag nicht nur eine nachträgliche mythologische Überhöhung gewesen sei, um die protestantische Christenheit zu erbauen, wohl entschieden: Luther hat, wenn Rörer kein Fälscher war, tatsächlich und höchstpersönlich den Hammer geschwungen.

Dies aber, sagt Stefan Rhein, sei damals keine so spektakuläre Sache gewesen, Thesen anzuschlagen sei einem Aushang am Schwarzen Brett vergleichbar gewesen, wie es ihn auch heute noch geben kann, sofern noch ein Schwarzes Brett zu finden ist in der digitalen Welt.

Neben Luthers Weg sollen Rhein zufolge in der Schau ab 12. Mai auch 95 Menschen präsentiert werden, die in besonderer Weise von dem Reformator angezogen oder vielleicht auch abgestoßen wurden: Der wunderbare Liederdichter Paul Gerhardt aus Gräfenhainichen ist darunter, Kaiser Wilhelm II., der italienische Dichter und Filmemacher Pier Paolo Pasolini sowie der Verleger Axel Springer.

Das verspricht spannend zu werden - wie auch die Stadtgänge, die Teil der Kinderausstellung sind. Ähnlich wie zur großen Cranach-Schau vor zwei Jahren und abermals in Zusammenarbeit mit einem Team des Freizeit- und Erholungszentrums in Berlin (FEZ) sollen hier die Jungen und Jüngsten ins Thema gezogen werden.

Als Begleiter durch Wittenberg wird jedenfalls ein authentischer Wiedergänger dabei sein - der Hund Tölpel. Auf diesem hübschen, sprechenden Namen hatte Luthers vierbeiniger Hausgenosse gehört und war, so Stefan Rhein, von seinem Herrchen auch gern als pädagogisches Beispiel, etwa für Fresslust, herangezogen worden. (mz)