Luther-Tomate in Wittenberg Luther-Tomate in Wittenberg: Nächstes Jahr folgt Paprika

Wittenberg - Die roten Früchtchen haben längst ihre Fans. Dass sich beim Werksverkauf auf dem Gelände von Wittenberg Gemüse in Piesteritz Schlangen bilden, ist keine Seltenheit. Und oft wandern mehrere Packungen mit Tomaten in die großen Einkaufstaschen.
Projektmanager Helmut Rehhahn und Verkaufsleiter Kevin van IJperen sehen das mit Wohlgefallen. Der Werksverkauf ist nämlich eine Art kleine Schwester des großen Handels. Und der läuft offenbar äußerst zufriedenstellend - eben wie der vor Ort. „Wir werden immer bekannter, die Nachfrage wird eher größer als kleiner“, sagt van IJperen zurückhaltend.
Rehhahn legt nach: „Wir können zeitweise die Nachfrage nicht befriedigen.“ Das Konzept der Investoren aus Holland geht auf, dank Abwärme und reinem Kohlendioxid von SKW Piesteritz können in Wittenberg in großem Stil in riesigen Gewächshäusern Tomaten produziert werden, bei denen die Qualität stimmt. Und die Menge ebenfalls.
Bei Wittenberg Gemüse soll weiter investiert werden. In Planung sind noch zwei Gewächshäuser. „Bis 2020 soll der Standort erschlossen sein. Es gibt dann 40 Hektar unter Glas“, erläutert Projektmanager Helmut Rehhahn. Was in den weiteren Gewächshäusern angebaut wird, steht noch nicht fest. Das hänge von der Entwicklung des Marktes ab. Anspruch sei, geschmackvolles, frisches Gemüse anzubieten für einen Umkreis von etwa 200 Kilometern.
Für die Mitarbeiter von Elbaue Gemüse, die oft von weither kommen - etwa aus Polen - werden Zimmer im einstigen Krankenhaus Apollensdorf-Nord hergerichtet, das Gelände, in dem „König Fitzek“ jahrelang residierte. Rehhahn spricht von Umbau- und Renovierungsarbeiten, zudem sei das Gelände aufgeräumt worden: „Da haben wir viel Arbeit reingesteckt.“ Eingerichtet werden soll überdies eine Art Museum zu Wasag und Klinik. Dem Traditionsverein werden daher Räume überlassen.
Das inzwischen vierte Ernte-Jahr hat rund sieben Millionen Kilo Tomaten gebracht - große, kleine, rote, orangene, dunkle. Ein bisschen weniger als 2016, was mit der Sonne zu tun hat, die in diesem Jahr nicht so freigiebig schien.
Die Ernte geht jetzt, Mitte November, zu Ende. Freitag ist der letzte Tag - des Pflückens und des Werksverkaufs. Besonders zufrieden sind die Produzenten, weil es gelang, vier Jahre ohne größere Krankheiten an den Pflanzen zu überstehen. Das ist nicht selbstverständlich. Und hat mit den peniblen Hygienevorschriften ebenso zu tun wie mit dem Umstand, dass in der Nachbarschaft keine Landwirtschaft betrieben wird, die die Tomatenpflanzen infizieren könnte.
Rehhahn: „Das hier ist ein Industriegebiet.“ Für ihn ein weiterer überzeugender Standortfaktor neben der Abwärme, dem Kohlendioxid und den großen Flächen, die zur Verfügung stehen.
Dass die weiter bebaut werden sollen mit Gewächshäusern ist bekannt - und längst sichtbar. Die zweite Ausbaustufe steht kurz vor ihrem Abschluss: siebeneinhalb Hektar unter Glas, halb so groß wie die bereits bestehende Gewächshausanlage. Die Hülle ist errichtet, zurzeit wird an der Inneneinrichtung gewerkelt, an Heizleitungen und Pflanzrinnen.
Das neue unterscheidet sich nicht wesentlich von den Gewächshäusern, die bereits in Betrieb sind. Allerdings sollen auf den siebeneinhalb Hektar keine Tomaten angepflanzt werden sondern Paprika. Ausschließlich rote, denn die Erfahrung besage, dass der Kunde zu 80 Prozent rote Paprika in seinen Einkaufswagen legt. In der ersten Januarwoche werden die Pflanzen gesetzt - im April soll die Ernte beginnen.
Wenn denn alles klappt wie gewünscht. Denn dass Paprika-Anbau in großem Stil eine Herausforderung sei, wissen Rehhahn und van IJperen: „Temperaturschwankungen mögen die Pflanzen gar nicht, sie haben es gern gemütlich.“
In Deutschland sei Paprika-Anbau eher selten: „Das sind Spezialisten, die das machen.“ Die Wittenberger Gemüse-Produzenten haben eigens einen Fachmann engagiert und hoffen auch hier auf die Vorteile durch die SKW-Gaben.
Eine Herausforderung dürfte auch sein, das Personal zu rekrutieren - zwischen 30 und 50 Leute werden benötigt für den Paprika. Um die Tomaten kümmern sich in der Saison, die von April bis November reicht, rund 130 Beschäftigte. Dass die meisten nicht aus der Region stammen, ist kein Geheimnis.
Rehhahn: „Wir brauchen Leute, die extrem flexibel sind. Die Arbeit findet auch an Wochenenden statt und ist körperlich sehr anstrengend.“ So mancher habe da recht schnell das Handtuch geworfen. (mz)