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"Liebchens Waldschlösschen" "Liebchens Waldschlösschen": Coswiger Wirt beklagt hohe Bierpreise

Von IlKA Hillger 13.01.2014, 08:56
Roswitha und Gero-Armin Liebchen sind in der Gaststätte „Liebchens Waldschlösschen“ zu oft ihre eigenen Gäste. Dabei mangelt es den eisenbahnverliebten Wirtsleuten an Ideen nicht.
Roswitha und Gero-Armin Liebchen sind in der Gaststätte „Liebchens Waldschlösschen“ zu oft ihre eigenen Gäste. Dabei mangelt es den eisenbahnverliebten Wirtsleuten an Ideen nicht. Thomas Klitzsch Lizenz

Coswig/MZ - Gero-Armin Liebchen ist froh, dass er die Bahn hat. „Ohne unsere Eisenbahn und die Übernachtungen würden wir nicht überleben“, sagt der Gastronom und Hotelier. Gemeinsam mit Ehefrau Roswitha betreibt er an der Göritzer Landstraße 40 in Coswig „Liebchens Waldschlösschen“.

Verschmähter Biergarten

Das Hotel und Restaurant sind ein skurriler Ort. Da schnaufen Dampfloks um den Spirituosentisch, am Kreisverkehr kann man sich ebenso niederlassen wie im originalen Zugabteil, ein Schaffner bedient und Getränke und Speisen kommen mit der Modellbahn. Ein Platz, der Männerträume mit bodenständigem Essen aus dem Fläming verbindet. Und doch ist es ein Ort, den immer weniger Gäste aufsuchen. „Es war ein schlechtes Jahr“, bilanziert Liebchen 2013. Seine Umsätze seien um zehn Prozent zurück gegangen.

Dabei ließ der Sommer keinen Grund zur Klage. Nun gut, der Start war durch das Juni-Hochwasser verholpert, aber dann gab es viele prächtige Sonnen-Wochen und einen sonnigen Herbst. Eigentlich bestes Biergartenwetter. Die Liebchens haben einen großen Biergarten. „Der ist für 120 Leute, aber eigentlich brauchen wir den an den Wochenenden gar nicht aufmachen“, sagt Gero-Armin Liebchen. Für immer weniger Besucher in den ländlichen Gaststätten und Kneipen macht er denn auch nicht das Wetter sondern eher die Politik der Brauereien verantwortlich. „Die ist schädlich für die Gastronomie“, findet er. Das Bier koste den Gastronomen im Einkauf ebenso viel, wie den Kunden im Supermarkt. „Da trinken die Leute eben lieber zu Hause. Die sehen bei uns am Ende immer nur den Preis auf der Karte.“

In England laufe das anders, da gäbe es immer volle Pubs. „Weil man da im Supermarkt so viel wie im Pub bezahlt. Da trifft man sich dann lieber am Tresen mit netten Leuten“, berichtet Liebchen und hat wenig Hoffnung für kleine Eigentümer und Pächter, wie er es ist. „Der Trend wird so bleiben und das kann auf lange Sicht kein Gastronom stemmen.“

Mit seiner Einschätzung liegt der Gastronom aus Coswig nicht falsch. Die Zahl der Schankwirtschaften ist bundesweit seit 2001 von fast 48 000 auf 36 000 im Jahr 2010 gesunken. Das belegen die letzten amtlichen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Politiker und Wissenschaftler warnten daraufhin vor den gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Entwicklung. Mit dem Wirtshaus werde eine Einrichtung mit hohem sozialen und kulturellen Stellenwert aus den Gemeinden verschwinden.

Gero-Armin Liebchen und Ehefrau Roswitha sind längst im Rentenalter. „Natürlich will ich weiter arbeiten. Aber einen Nachfolger habe ich nicht“, sagt Liebchen. Und auch damit geht es ihm wie vielen Gastronomen im Land. Sachsen-Anhalts Dehoga-Vizepräsident Eckhard Meyer machte bei der Veröffentlichung der statistischen Daten mehrere Ursachen für das Kneipensterben verantwortlich.

Ungleiche Konkurrenz

Zum einen hätten Wirte mit Erreichen des Rentenalters keine Nachfolger gefunden. Zudem fehlten durch den demografischen Wandel die Gäste. Der Vizepräsident kritisierte zudem die „Schwarzgastronomie“ durch Gemeinden, Freiwillige Feuerwehren oder Sportvereine. Ihre Räume, beispielsweise in Bürgerhäusern, öffneten sich für Familienfeiern, Volksfeste und andere Veranstaltungen. Dieser Konkurrenz seien Kneipen auf Dauer nicht gewachsen. Doch weil in Sachsen-Anhalt die Mühlen langsam mahlen, lässt ein neues Gaststättengesetz noch immer auf sich warten. Immerhin hat sich der neue Wirtschaftsminister des Themas angenommen. „Es geht darum, Schwarzgastronomie zu vermeiden“, sagte Hartmut Möllring (CDU) mit Blick auf Familienfeiern in Vereinsheimen erst vor wenigen Wochen der MZ. Mit Hilfe eines neuen Gaststättengesetzes soll Vereinen der Ausschank von Alkohol erschwert werden, um den Konkurrenzdruck gegenüber der Gastronomie zu verringern.

Einen Zeitplan nannte aber auch Möllring nicht. Dabei wird schon seit Jahren an dem Gesetz gearbeitet. Im Januar 2012 sah der Wittenberger Frank Scheurell (CDU) als Sprecher einer Landtags-Arbeitsgruppe das Inkrafttreten in naher Zukunft. Im Nachbarland Sachsen hatte man da längst Nägel mit Köpfen gemacht. Das Gaststättengesetz gilt dort seit langem auch für Vereine und andere Gesellschaften.

Gleich mit ändern könnte man nach Gero-Armin Liebchens Wunsch dann auch die Gema-Abgaben. „Tanzveranstaltungen rentieren sich nach der Neuregelung nicht mehr für uns“, bedauert er. Silvester aber, da wurde bei Liebchens getanzt. „Eine kleine, angenehme Feier“ sei die Party gewesen. Die schlimmen Monate Januar und Februar wollen die Gastronomen mit der Eisenbahn überstehen, denn „Ostern bricht das Eis“. Wenn mit dem neuen Jahr die Lust der Leute auf Biergärten wachsen würde, wäre dies Gero-Armin Liebchens größte Freude.