1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Landesausstellung "Cranach im Gotischen Haus": Landesausstellung "Cranach im Gotischen Haus": Junge Leute alte Meister

Landesausstellung "Cranach im Gotischen Haus" Landesausstellung "Cranach im Gotischen Haus": Junge Leute alte Meister

Von corinna nitz 10.06.2015, 09:56
Drinnen gibt es Kunst satt - in der Exposition: „Cranach der Jüngere im Gotischen Haus“.
Drinnen gibt es Kunst satt - in der Exposition: „Cranach der Jüngere im Gotischen Haus“. thomas klitzsch Lizenz

wörlitz - Ja, die Naturwissenschaften! Mit ihnen hat es das Paul-Gerhardt-Gymnasium in Gräfenhainichen inzwischen sogar zu internationaler Bekanntheit gebracht. Das darf wörtlich genommen werden, nachdem gerade zwei Schüler beim weltweit größten Wettbewerb für junge Forscher, dem Intel ISEF in Pittsburgh, einen zweiten Preis geholt haben.

Nicht in der US-amerikanischen Großstadt, sondern in arkadischen Gefilden Anhalts schlägt jetzt die Stunde einiger kunstaffiner Gymnasiasten. Die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz hat wie berichtet unlängst ihren Beitrag zur Landesausstellung „Cranach der Jüngere 2015“ eröffnet. Unter der Überschrift „Cranach im Gotischen Haus in Wörlitz“ wurde ebendort die Sammlung altdeutscher Kunst des Fürsten Franz (1740 bis 1817) in äußerst bemerkenswerter Weise neu belebt. Nun kooperiert man mit der Gräfenhainichener Bildungseinrichtung, weil alte Meister (und auch die Architektur dieses authentischen, respektive auratischen Ortes) eben keineswegs nur für Bildungsbürger gehobenen Alters attraktiv sind. „Schüler führen Schüler“ heißt ein gefördertes Programm - umgesetzt wird es von den Elftklässlerinnen Sarah Tran, Henriette Obst und Franka Hans, von Laura Kluger, Florentine Klepel sowie Saskia Anders. „Handverlesen“, nennt Franziska Elsner die Schülerinnen.

Von der Theorie zur Praxis

Elsner ist Kunstlehrerin, sie betreut das Projekt auf Seiten des Gymnasiums und wird, wenn demnächst die Führungen stattfinden, immer mit vor Ort sein. Jetzt aber läuft erst mal die Generalprobe. Was die Mädchen bisher in Vorträgen von den Stiftungsmitarbeitern Kristina Schlansky, Uwe Quilitzsch und Wolfgang Savelsberg (Abteilung Schlösser und Sammlungen) erfahren oder sich auf Basis der zur Verfügung stehenden Unterlagen im Selbststudium angeeignet haben, soll am vorvergangenen Mittwoch erstmals in die Praxis überführt werden.

Etwas Profanes und dennoch Wichtiges stand dabei nicht in den Unterlagen und überrascht jetzt direkt vor dem Entree: zwei Schuhputzmaschinen. Die stehen da nicht zu Dekozwecken, sie müssen benutzt werden, damit Besucher nicht zu viel Schmutz von den Parkwegen ins Haus tragen. Die Zeit, die es dauern wird, bis sich gut 100 Schüler pro Führungstag die Schuhe gereinigt haben, muss also mit einkalkuliert werden. Insgesamt stehen den Gymnasiastinnen drei Stunden zur Verfügung, um das Haus mit seinen auf zwei Etagen verteilten Exponaten sowie einen Film zu zeigen und eine Runde ums Objekt zu drehen.

Angesichts dieses Zeitfensters, das verglichen mit der Fülle der Kunstwerke und der Komplexität der Geschichte der Immobilie und ihres einstigen Bewohners eher klein ist, gewinnt ein Hinweis von Quilitzsch an Bedeutung: „Wir wollen unsere Gäste nicht zutexten“, sagt er und auch dies: „Führen Sie die Schüler so, wie Sie ihre Familien führen würden.“ Soll wohl heißen: entspannt und locker. Tatsächlich könnte die Versuchung groß sein, sich in hübschen Details zu verlieren. Wichtiger sei indes, eine Zusammenfassung zu geben, wobei bestimmte Werke stets erwähnt werden sollten - exemplarisch werden beim Probenrundgang u. a. eine allegorische Fensterfront im Rittersaal erwähnt, Gemälde der Wittenberger Reformatoren oder ein Bild von Henriette Catharina von Oranien-Nassau: Die niederländische Prinzessin und spätere Fürstin von Anhalt-Dessau ließ ab 1683 im nahe gelegenen Oranienbaum den Park und das Schloss als ihre persönliche Residenz errichten.

Die Exposition „Cranach im Gotischen Haus“ ist der Beitrag der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz (KsDW) zur Landesausstellung „Cranach der Jüngere 2015“, die am 26. Juni in Wittenberg eröffnet wird. Am Originalschauplatz beschäftigt sich die KsDW mit der im 18. Jahrhundert einsetzenden Rezeption von Cranachs Kunst. Die frühe Verehrung der beiden Wittenberger Meister und anderer altdeutscher sowie altniederländischer Maler durch den Fürsten und späteren Herzog Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740 bis 1817) im Gotischen Haus ist von kulturgeschichtlicher Bedeutung. Andreas Pecar, der eine Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat und anlässlich der Eröffnung der Schau am 15. Mai in der Petrikirche den Festvortrag hielt, betonte: „Das Spannende an der Sammlung im Gotischen Haus ist, dass Fürst Franz noch vor der Wiederentdeckung des Altdeutschen diese Arbeiten sammelte.“ Gegangen ist es u. a. um „Profilbildung“ und das Bemühen, in der damaligen europäischen Adelsgesellschaft „sichtbar zu werden“.

Geöffnet ist die Schau in Wörlitz Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt beträgt sieben Euro, ermäßigt fünf. Für Gruppen ab 15 Personen werden gebührenpflichtige Führungen angeboten.

Um besonders die Jugend zu erreichen, wird mit dem Paul-Gerhardt-Gymnasium Gräfenhainichen das Programm „Schüler führen Schüler“ angeboten. Am 23./25. und 26. Juni sind dazu je vier Klassen der Stufen sieben, acht und zehn des Gymnasiums nach Wörlitz eingeladen. Unterstützt wird das Projekt von der Sparkasse Wittenberg. Mit weiterer Förderung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung soll es zudem Tausenden Schülern ermöglicht werden, die Landesausstellung (in Wörlitz und im Augusteum Wittenberg) kostenfrei zu besuchen. Ein weiterer Korrespondenzstandort ist Dessau.

Was nun Fürst Franz betrifft, so sollen die Schüler Quilitzsch zufolge erkennen, dass der Herrscher im Gotischen Haus „in erster Linie“ einen privaten Rückzugsraum sah, in dem er seine Sammlung zeigen konnte. Umgekehrt, meint Schlansky, können junge Leute hier auch lernen, „dass man sich durch Sammeln Wissen aneignen kann“.

„Die dankbarsten Besucher“

Die Gymnasiastinnen machen das noch zur Generalprobe. Hochkonzentriert folgen sie den Ausführungen der Profis, machen sich Notizen, setzen Ratschläge um, etwa den, lauter zu sprechen. Denn am Ende entscheidet auch das akustische Verständnis darüber, ob die Schüler zu den Führungen bei der Sache bleiben oder in die innere Emigration gehen. Apropos verständlich: „Für mich sind Kinder die dankbarsten Besucher“, sagt Schlansky. Man müsse sich nur „in sie hinein versetzen“.

Mit dem Projekt „Schüler führen Schüler“ versucht die Kulturstiftung das in besonderer Weise. Und sonst? Über das Gotische Haus sagt Sarah Tran vom Gymnasium: „Es ist eine ehrfürchtige Stimmung hier, aber man kann sich frei bewegen.“ Zu diesem Zeitpunkt sind zwei Stunden vergangen, die kleine Gruppe ist im Speisezimmer des Fürsten angekommen und räsoniert über eine Falltür. Sachen gibt’s. (mz)

Bei www.gartenreich.com stehen weitere Infos zur Schau im Internet.

Sie kennt sich aus im Gotischen Haus: Beate Schulz (links) von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz erklärt Sarah Tran, Henriette Obst, Franka Hans, Laura Kluger, Florentine Klepel und Saskia Anders vom Paul-Gerhardt-Gymnasium Gräfenhainichen die Ausstellung „Cranach im Gotischen Haus in Wörlitz“. Begleitet werden die Teenager von ihrer Kunstlehrerin Franziska Elsner. Sie setzen das Projekt „Schüler führen Schüler“ um, mit dem Jugendlichen die Exposition, die ein Beitrag zur Landesschau „Cranach der Jüngere 2015“ ist, erschlossen werden soll.
Sie kennt sich aus im Gotischen Haus: Beate Schulz (links) von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz erklärt Sarah Tran, Henriette Obst, Franka Hans, Laura Kluger, Florentine Klepel und Saskia Anders vom Paul-Gerhardt-Gymnasium Gräfenhainichen die Ausstellung „Cranach im Gotischen Haus in Wörlitz“. Begleitet werden die Teenager von ihrer Kunstlehrerin Franziska Elsner. Sie setzen das Projekt „Schüler führen Schüler“ um, mit dem Jugendlichen die Exposition, die ein Beitrag zur Landesschau „Cranach der Jüngere 2015“ ist, erschlossen werden soll.
Klitzsch Lizenz
Frühes Kommen sichert gute Plätze - der Pfau hat schon mal einen. Ihn kann man in der Nähe des Gotischen Hauses treffen.
Frühes Kommen sichert gute Plätze - der Pfau hat schon mal einen. Ihn kann man in der Nähe des Gotischen Hauses treffen.
thomas klitzsch Lizenz
Vorbereitet wurden die Gymnasiasten von den Stiftungsmitarbeitern Kristina Schlansky.
Vorbereitet wurden die Gymnasiasten von den Stiftungsmitarbeitern Kristina Schlansky.
Klitzsch Lizenz