1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Kunstflugtauben: Kunstflugtauben: Kapriolen in der Luft

Kunstflugtauben Kunstflugtauben: Kapriolen in der Luft

Von ilka Hillger 26.06.2015, 18:21
Peter Lhotsky aus Sulzdorf lässt Galatzker-Roller fliegen.
Peter Lhotsky aus Sulzdorf lässt Galatzker-Roller fliegen. Thomas Klitzsch Lizenz

dabrun - Loopings, Schrauben, Sturzflüge - man kennt das von Flugschauen. Da sitzen waghalsige Piloten in ihren Maschinen und das Publikum staunt.

Über dem Sportplatz von Dabrun dreht, schraubt und stürzt es in dieser Woche auch. Aber dort fast gänzlich geräuschlos. Kein Motorenknattern, stattdessen Flügelschlag. Es gibt schließlich auch Vögel, die Kapriolen in der Luft vollführen: Kunstflugtauben. Für sie und ihre Züchter wird seit Donnerstag und noch bis Sonnabend die Internationale Deutsche Flugkastenmeisterschaft ausgerichtet. Zum ersten Mal kommt der Wettbewerb damit in die neuen Bundesländer, der Thüringer Verband - er vereint Züchter aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt - hat den außergewöhnlichen Wettkampf in den Landkreis Wittenberg geholt.

Gute Bedingungen beim Sportverein

„Das Schwierige ist die Suche nach einem geeigneten Platz“, sagt Eckhard Bähschnitt. Der Taubenzüchter aus Radis ist eine ganze Weile durch die Region gefahren, bis er in Dabrun gute Bedingungen und einen Sportverein fand, der sich auf die exotischen Gäste mit ihren transportablen Taubenschlägen einließ. „Ab März konnten wir alles festklopfen“, so Bähschnitt.

Die Zucht und das Training von Tauben für den Kunstflug kommt aus dem Orient und fand den Weg nach Deutschland etwa im 19. Jahrhundert. Anders als Haustauben halten sich Kunstflugtauben nur im Schlag auf oder, wenn sie der Züchter fliegen lässt, in der Luft. Nach dem Flug suchen sie sofort den Schlag wieder auf.

Die Flugfiguren, die sie zeigen, sind angeboren und wahrscheinlich aus dem Balzverhalten heraus gezüchtet. Organisiert sind Kunstflugtaubenzüchter im „Deutschen Flugroller-Club e. V. (DFC). Dieser ist untergliedert in regionale Gruppen. Der DFC ist Mitglied in der Europäischen Flugroller-Union, dem Verband der Europäischen Kunstflugtaubenzüchter. Nach einer genau festgelegten Wettflugordnung werden jährlich Wettflüge ausgeflogen und bewertet, wobei die einzelnen Kunstflugleistungen der Tiere erfasst werden. Die Möglichkeit, dieses Hobby zu betreiben, gibt es seit 1964 in Deutschland, damals wurde der Club im Ruhrgebiet gegründet.

Nun, seitdem am Mittwoch die ersten Züchter anreisten und bis Freitag noch einige folgten, ist das Gelände aufgeteilt. Am Rand des Fußballfeldes ist ein kleines Zeltdorf entstanden, große Zelte sind Versorgungsstützpunkt oder Taubenbörse, man nutzt die Infrastruktur des Sportvereins mit Toiletten und Duschen. Und über allem fliegen und flattern die Akteure, um die es an drei Tagen geht. Tauben, die durch Zucht und Auslese ganz freiwillig zu Flugkunststücken neigen.

Am Donnerstag lässt Peter Lhotsky aus Sulzdorf als einer der ersten Teilnehmer seine Stiche fliegen. So heißen die Taubengruppen, meist sind es drei Vögel, die aus der Fußballplatzmitte aus dem Verschlag in die Luft entlassen werden. Eine halbe Stunde haben die Tauben, um zu zeigen, ob sich bei ihnen das Training der Vorwochen lohnte. Nach einer Stunde müssen sie wieder auf dem Kasten landen. Was dazwischen passiert, liegt nur bedingt in den Händen der Züchter. „Man kann pfeifen oder auch optisch Einfluss nehmen“, erklärt Eckhard Bähschnitt und nennt weißes Tuch oder Dropper, also Locktauben, die weiß und zahm sind und beim Taubenschlag bleiben. Auch Lhotsky hat seine Dropper bei sich, oftmals ist es jene Rasse, mit der Züchter gerne für Hochzeiten gebucht werden. Die Dropper aus Sulzdorf dürfen sich für den Moment noch zurück halten. Der Blick gilt den Formationen in der Luft. „Da wird schon mal der Nacken steif“, weiß Bähschnitt, der wie viele der Teilnehmer zugleich als Wertungsrichter auftritt, aber nicht in der Klasse, in der er selbst startet. Der Mann aus Radis sagt es, schon legt sich sein Kollege auf die Wiese und hat den besten Überblick. „Sonnencreme ist auch wichtig“, meint Bähschnitt noch, „aber vielleicht brauchen wir diesmal nicht so viel davon.“

Das Wetter finden die Männer in Dabrun ideal. „So kann es bleiben“, meint Bernd Rademacher. Er steht in einer Männerrunde am Sportfeldrand. Am Donnerstagnachmittag sollen seine Tauben an den Start gehen. Es sind Birminghamroller, und ihr Name verrät schon ihre Vorliebe, das Rückwärtsabrollen im Flug. „Das sind Alttauben, die sind erfahren“, zeigt Rademacher auf die Vögel. Aber sind sie auch in guter Form? „Das letzte Training war eine Katastrophe“, lacht der Mann aus dem Vogtland. „Da kann die Premiere doch nur gut werden.“

Zuschauer sind willkommen

Auf eine gute Punktzahl hofft Rademacher ebenso wie Bähschnitt und all die anderen Männer, die aus ganz Europa nach Dabrun gereist sind. „Wir sind um die 60 Züchter mit Gästen aus Frankreich, der Schweiz, Tschechien, Niederlanden, Belgien, Serbien und der Slowakei“, zählt Bähschnitt die Teilnehmer durch. Unter ihnen könnte durchaus einer sein, der zum Saisonende den Meisterschaftstitel erhält oder gar Champion des Europa-Dachverbandes wird. „Das wissen wir aber erst im September“, erklärt er. Auch der Radiser wird in den kommen Wochen noch zu Meisterschaften in der Schweiz und Frankreich reisen, immer in der Hoffnung, dass seine Tauben dann einen noch besseren Tag erwischen und mit Flugakrobatik glänzen. „Das sind eben lebende Tiere, da drückt man nicht einfach auf den Knopf“, beschreibt er die Unwägbarkeiten dieses Hobbies. Man öffnet einfach den Taubenschlag und überlässt die Tauben dem Himmel. Dabrun erlebte das bis Sonnabend mehrfach inklusive regem Flugverkehr. „Wer sich das nicht entgehen lassen möchte, kann gerne als Zuschauer vorbei kommen“, lädt Bähschnitt ein. (mz)