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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Wissenschaftler erklärt, warum Gärreste stinken

15.11.2012, 17:37

Jeber-Bergfrieden/MZ/TEO. - "Kontrovers aber sachlich" verlief nach Aussagen von Ortsbürgermeister Kurt Schröter (parteilos) kürzlich eine Beratung zwischen der Jeber-Bergfriedener Bürgerinitiative und Vertretern der Firma "Verbio", die in Zusammenarbeit mit dem Öko-Landwirt Reinhard Gips Gärreste aus der großen Zörbiger Biogasanlage als Dünger auf Feldern um Jeber-Bergfrieden ausbringt. Als in den letzten warmen Herbsttagen gedüngt wurde, fühlten sich Einwohner vom Gestank des Substrats extrem belästigt und klagten über Übelkeit und Kopfschmerzen.

Im Frühjahr geht es wieder los

Die Düngeperiode ist seit Donnerstag vorbei. Wenn es im Frühjahr wieder losgeht, "sollten alle Komponenten berücksichtigt werden: Wetter, Wind, die Zusammensetzung des Gärsubstrates, die Zeit des Ausbringens", berichtet der Ortsbürgermeister von der Übereinkunft. In einem Schreiben von "Verbio" an die MZ heißt es, man arbeite intern an einem Verfahren, "um die Geruchsintensität der Gärreste in Zukunft noch weiter zu senken".

Dass die Zusammensetzung dessen, womit man die Biogasanlagen "füttert" dabei wichtig ist, erklärt Reinhard Pätz, Professor an der Hochschule Anhalt im Fachbereich Angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik. "Vor allem, wenn viel Eiweiß im Spiel ist, wird Ammoniak und Schwefelwasserstoff frei", so Pätz. "Solange das in der Biogasanlage bleibt, ist das kein Problem." Gefährlich werde es, wenn das Gas unmittelbar an der Anlage austritt. Schwefelwasserstoff ist das gefährlichste Gärgas, schon eine geringe Konzentration kann für den Menschen lebensgefährlich sein. Ammoniak - eine Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff - reizt die Atemwege und kann, wenn man dem länger ausgesetzt ist, die Lunge schädigen. Am Dienstag, als die MZ Pätz im Köthener Technikum besuchte, hat eine ehemalige Studentin ihre Bachelor-Arbeit verteidigt, die untersucht hat, welche Stoffe geeignet sind, das Ammoniak zu binden. So könnte Geruch minimiert werden. Allerdings, so Pätz: "Es ist illusorisch zu glauben, dass man Substrat geruchlos machen kann. Jedes Substrat - ob Mist, ob Gülle, ob Kompost oder Gärreste - hat seinen Eigengeruch, der von den Menschen ganz unterschiedlich empfunden wird."

Bessere Verfahren gibt es

Mit den Köthener Wissenschaftlern zusammen hat der Wittenberger Ingenieur Lothar Günther eine zweistufige Biogasanlage mit Druckwasserwäsche entwickelt, die eine hohe Ausbeute an Bioerdgas ermöglicht. Dass er seine Anlagen eher im Ausland los wird als hierzulande, erklärt Günther mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland: "Vergütet wird die Stromerzeugung. Die Gärreste werden unter den Teppich gekehrt, und der hat aufgrund der extensiven Biogasproduktion schon eine dicke Beule". Wenn nämlich noch der Stickstoff, der den Gestank hervorruft, aus dem Gärrest entfernt wird, taugt dieser nicht mehr als Dünger - "dann muss das Ganze als Abfall entsorgt werden". Die Frage sei doch: "Will ich nun Nachhaltigkeit oder nicht?"