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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Schorlemmer philosophiert über Weisheiten des Reformators

Von KARINA BLÜTHGEN 31.10.2012, 18:55

WITTENBERG/MZ. - "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen", dieser Satz wird dem Reformator besonders gern in den Mund gelegt. Zum Pech mancher Zitierenden ist dieses Zitat nicht echt. Oder wie Friedrich Schorlemmer es im Falle der Luther-Sprüche formuliert: Viele populäre Worte stammen nicht von Luther, aber sie passen zu ihm.

Original oder Fälschung?

Eben dieses Zitat mit dem Apfelbaum hatte sich der Wittenberger Theologe und Publizist für seinen jährlichen Vortrag zum Reformationstag im Malsaal des Cranachhofes zum Ausgangspunkt genommen, um über echte und vorgebliche Luther-Weisheiten zu plaudern. Erstmals hatte Schorlemmer seinen Vortrag zwei Mal gehalten und damit dem Ansturm der vergangenen Jahre zu einem der viel zu raren geistigen Angebote des Reformationstages Rechnung getragen.

Wortgewandt und launig nahm sich Schorlemmer im ersten Teil die Apfelbaum-Sprüche vor. Wobei das genannte Luther-Zitat schon durch Abwandlung einzelner Worte ("mein" statt "ein Apfelbäumchen") oder Betonungen variiert werde. "Mit großer Wahrscheinlichkeit ist der Satz erstmals im Herbst 1944 in einem Brief des Pfarrers Karl Lotz an die Vertrauensleute der Bekennenden Kirche geschrieben worden", so Schorlemmer.

Dietrich Bonhoeffer, Gottfried Benn, Günter Kunert und sogar Reinhard Mey haben den Apfelbaum dankend aufgegriffen. Der Wissenschaftspublizist Hoimar von Ditfurth hatte 1985 sogar gesagt: "So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit."

Es gibt aber auch eine Reihe echte Luther-Zitate, die durchaus zeigen, was dem Reformator wichtig war. Und was noch heute zum Nachdenken und zur Besinnung anregt.

Es ist das, was der Mensch wirklich zum Leben braucht, etwa Sonne, Licht, Feuer und Wasser. "Was ist dagegen das ganze Geld der Welt?", philosophierte Schorlemmer. Und fügte den schelmischen Seitenhieb, von herzhaftem Lachen im Raum begleitet, hinzu: "Ach, du lieber Steinbrück."

Doch immer nur Sonnenschein ist auch nicht gut. Luthers Satz, in dem er den Regen als "schön Wetter" bezeichnete, münzte der Theologe der Gegenwart dergestalt um, dass man Fernseh-Meteorologen, die nie vom ersehnten Regen sprechen, "prügeln" solle oder "sie gießen lassen" muss. "Ewiges Glück wäre eine einzige Katastrophe. Ich möchte nicht immer im Paradies leben", fügte er hinzu.

In die Genüsse entlassen

Mit zwölf solcher Beispiele füllte Schorlemmer Köpfe und Herzen der Zuhörer, bevor er sie in die Genüsse des Volksfestes entließ. Die solle man guten Gewissens genießen, betonte er. "Die geistigen und die geistlichen müssen nicht weit auseinander liegen."

Der Apfelbaum wird jedoch manchem im Gedächtnis bleiben. Denn Friedrich Schorlemmer hatte in dem Zusammenhang vom Planeten Erde gesprochen, der seine Unschuld längst verloren hat. "Wer Bäume im Luthergarten pflanzt und davon schöne Fotos macht, verniedlicht, worum es geht in der Welt: Um Abholzung der Regenwälder und Klimawandel in Afrika."