1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Kreis Wittenberg: Kreis Wittenberg: Rosen erblühen aus schlafenden Augen

Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Rosen erblühen aus schlafenden Augen

Von UTE OTTO 05.09.2011, 16:50

LUKO/MZ. - Es sind Duftrosen, Wildrosen, Hagebuttenrosen, Sommerrosen, groß- oder kleinblumige in allen erdenklichen Farben. Sie sind zwar alle namenlos, aber wunderschön. Sogar eine weiße Bodendecker-Rose gedeiht hoch oben auf einem Stamm, da nisten im Sommer Vögel. Und an manchen Stämmen gibt es verschiedenfarbige Blüten.

Lucko selbst hilft der Natur nach, seit seinem 20. Lebensjahr züchtet er Rosen durch Veredeln wilder Stämme. "Mein Vater hat Apfelbäume veredelt", erzählt der 71-jährige Landwirt. "Da habe ich mir gedacht, das müsste doch mit Rosen auch gehen." Und dann spielte der Zufall dem damals 20-Jährigen noch eine Zeitschrift in die Hände, in der stand, wie Rosen okuliert werden. "Da war es um mich geschehen."

Lucko sucht sich im Wald und an Feldrainen wild wachsende Rosenstämme. "Die finden sie überall", sagt er. Zumeist handele es sich um die Relikte von Gartenabfällen, die wieder gewurzelt und ausgetrieben haben. Die Stämme gräbt er in seinem Garten wieder ein und lässt sie erst einmal anwachsen.

"Und dann schneide ich von einer anderen Rose das Auge heraus", zeigt er auf einen winzigen Stipsel am Blattansatz einer blühenden Pflanze. Dieser wird in einen sorgfältig gesetzten Schnitt unter der vorsichtig abgelösten Rinde des neuen Stammes eingesetzt. Das Ganze ist Sisyphos-Arbeit. "Da braucht man eine ganz ruhige Hand - da sollte man den Abend zuvor nicht gefeiert haben", sagt Lucko scherzhaft. Bis zu einer Stunde brauche er manchmal, um ein Auge zu versetzen. "Das muss dann ein ganzes Jahr schlafen", bis es im nächsten Sommer auszutreiben beginnt.

Die Veredlungsstellen seien in den ersten Jahren freilich sehr empfindlich, brechen leicht und vertragen keinen Frost. Im Spätherbst legt Lucko daher alle Stämme in den Dornröschenschlaf. Er legt sie tatsächlich um - das gehe am besten an einem neblig-feuchten Tag, wenn das Holz weich ist. Darauf wird Erde geschaufelt und noch Tannengrün darüber gedeckt.

Da darf dann auch seine Frau mitmachen, die vom Veredeln aber die Finger lässt: "Das ist seine Sache." Luckos Frau heißt, wie sollte es bei einem Rosenliebhaber anders sein, Rosemarie. Wie andere Lukoer Jungen auch zu jener Zeit hat Joachim Lucko seine Zukünftige im Lukoer Lehrlingswohnheim, wo die auszubildenden Viehwirtinnen wohnten, aufgegabelt. Und die Liebe zu Rosemarie hält schon genau so lange wie zu den Rosen.

Zur Goldenen Hochzeit bekamen sie von Verwandten natürlich einen Rosenbusch. Und von der ersten bis zur letzten Rosenblüte in der Saison ist die Lieblingsvase seiner Frau niemals leer. Und die beiden genießen es, auf der Bank im Garten zu sitzen und sich an den Ausrufen der Passanten zu erfreuen. Die staunen über die Blütenpracht hoch über dem Gartenzaun.