Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Kunst aus der Pistole
KLIEKEN/MZ. - Leises Zischen aus der Airbrush-Pistole und ein feiner Strahl aus Acrylfarbe trifft auf die Leinwand. Das Porträt von Michael Ballack bekommt noch einige Haare aufgesprüht - Millimeter dünn. "Je näher man an die Fläche rangeht, desto dünner wird der Strahl", erklärt Roland Just, der seit 1996 der Kunst aus der Sprühpistole verfallen ist.
"Rolli", wie der Kliekener auch genannt wird, ist eine Größe in der Airbrush-Szene. Bekannt ist er vor allem durch seine Kunstwerke auf Trucks. Die Deutsche Trucker-Club-Gemeinschaft hat seine Airbrush-Werke schon drei Mal zu Jahressiegern (2005, 2006, 2009) gekürt. "Inzwischen werde ich in ganz Deutschland durchgereicht." Die Qualität hat sich herumgesprochen, Werbung machen braucht der 52-jährige Kliekener deshalb nicht.
Die überraschendste Anfrage kam im April 2007. Von Mercedes Benz in Stuttgart. Ein geheimes Projekt sei geplant: Ein Supertruck - mit einem Airbrush-Bild von Roland Just. Der war baff, hatte gleich nachgefragt: "Meint ihr wirklich mich, den kleinen Rolli aus Klieken?" Er war gemeint. Und so besprühte er die "Truck'n'Roll-Edition" des Stuttgarter Unternehmens - sein bisher größtes und aufregendstes Projekt.
Gemalt hatte Roland Just schon in der Schule. Der Renner bei seinen Mitschülerinnen waren Porträts von Fernsehstar Gojko Mitic. "Ich habe gemalt, dafür haben sie mir die Hausaufgaben gemacht." Hauptberuflich lässt sich der Kliekener aber zum Zahntechniker ausbilden.
Zur Kunst mit gesprühter Farbe kommt er erst im Jahr 1996 durch einen Fernsehbeitrag, in dem Airbrusher während eines VW-Treffens Tankdeckel besprüht hatten. Er kaufte sich daraufhin ein Starter-Kit - "das allerdings erstmal wieder in die Ecke flog". Die Technik sei sehr schwierig. Der Ehrgeiz war allerdings geweckt und so brachte er sich die Technik doch noch bei. Erste Auftragsarbeiten sprühte er nach zwei Jahren. Irgendwann beherrschte er sogar das zweihändige Sprühen.
Mit seinem Beruf als Zahntechniker lasse sich die Kunst bestens vereinbaren. "Meine Chefin ist meine Schwester. Sie und meine Frau sind meine größten Fans."
"Für ein Airbrush auf Trucks wird erst der Lack des Fahrzeugs angeschliffen und damit aufgeraut", erklärt "Rolli". Die Fläche wird anschließend hell grundiert. Dann kommen seine Airbrush-Pistolen zum Einsatz. Als letzter Schritt folgen mehrere Schichten Klarlack. "Je mehr Schichten es sind, desto tiefer wirkt das Bild am Ende."
Als Vorlage für seine Kunstwerke verwendet er Fotografien. Skizzen oder Rasterungen für größere Bilder braucht Just nicht. Die Proportionen hat er im Gefühl.
Viel Vertrauen gehört zu seiner Arbeit. Einerseits vertrauen seine Kunden ihm. "Ich weiß es zu schätzen, wenn mich jemand an sein Auto lässt", sagt Just. "Das sind schließlich Werte." Andererseits vertraut er seinen Kunden. Vieles gehe per Handschlag. "Aber man kennt sich in der Szene, dann funktioniert das."
Wenn er sprüht, dann vor Ort beim Kunden und dann tags und auch nachts. "Trucks müssen rollen", sagt Just. Sie müssen auf die Straße und Geld einfahren. Sein Service ist deshalb Schnelligkeit. Nach rund fünf Tagen sei eine kleinere Maschine fertig.
Nach einer Woche Arbeit an der goldenen Zugmaschine von Mercedes prangte eine Pferdeherde auf der einen Seite, eine Gruppe Büffel auf der anderen Seite. Der Öffentlichkeit wurde das Kunstwerk auf einer Messe in Amsterdam präsentiert. "Ich kam in die Halle, ein Vorhang ging auf, laute Musik spielte und der Truck kam mir hupend entgegen", erinnert sich Just. "Da war Gänsehaut am ganzen Körper."
Wann es wieder zur Gänsehaut kommt, kann der 52-Jährige noch nicht sagen. "Ich lasse das Jahr ruhig angehen." Der nächste Auftrag muss auch kein Truck sein. Just verschönert auch Pkw, Tanks von Motorrädern, Hauswände, Leder und sogar WC-Deckel. "Besprüht werden kann alles, was still hält."