Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Kind und zwei Frauen vor Ertrinken gerettet
WITTENBERG/MZ. - Einen vierjährigen Jungen und zwei Frauen rettete die Wittenberger Wassersportlerin Helga Freund am späten Dienstagnachmittag am Alten Strombad aus der Elbe vor dem Ertrinken. Als ausgebildete Rettungsschwimmerin hat sie schon hunderte Male die Abläufe einer Wasserrettung trainiert. Aber nun weiß sie: "Im Notfall und im dunklen Wasser der Elbe ist alles anders."
Helga Freund ist Seniorenweltmeisterin im Kanurennsport. Gewohnheitsmäßig geht sie vor jedem Training, noch bevor sie sich umzieht, ans Ufer, um nach Wasserstand, Wind und Wellen zu schauen, so auch am Dienstag. Sie sieht den kleinen Jungen, der im vermeintlich seichten Wasser ein Spielzeug schwimmen lässt und weist die drei Frauen, die mit zwei weiteren Kindern am Strand sitzen, darauf hin, dass der Uferbereich dort Untiefen hat. Als sie bemerkt, dass die Leute Ausländer sind, verdeutlicht sie das mit Handzeichen. Noch während sie mit ihnen spricht, springt eine junge Frau auf, um das vom Wind abgetriebene Spielzeug des Kleinen einzuholen. In dem Moment sieht Helga Freund, dass der Kleine bis zum Halse im Wasser steht und auch schon versinkt. Die Mutter des Jungen stürmt schreiend in den Fluss.
Helga Freund entledigt sich geistesgegenwärtig noch ihres Rucksacks, lässt das Schlüsselbund fallen "und dann bin ich mit Sachen und Schuhen hinterher". Die junge Frau hat zwar den Kleinen erwischt, treibt jedoch ab und taucht immer wieder unter. Die Lebensretterin nimmt ihr den Jungen ab. Während die junge Frau allein zum Ufer schwimmt, "hängt sich die Mutter an mich ran", schildert Helga Freund. Mit jedem Meter wird ihr die Last schwerer, es zieht sie nach unten. Lange traut sie sich nicht, zu prüfen, ob sie schon Grund hat. Am Ufer angelangt, drückt sie der Mutter das noch immer schreiende Kind in den Arm, legt ihm noch den Finger auf den Mund, damit es sich beruhigt. Sie selbst ist völlig erschöpft.
Noch am Morgen danach ist Helga Freund innerlich aufgelöst. "Es war die Situation, vor der ich mich schon immer gefürchtet habe, wenn ich Familien an den Buhnen baden sah", sagt sie. Die Tatsache, dass sie das Leben von drei Menschen gerettet hat, wird in ihrem Kopf immer wieder überlagert von dem Gedanken: "Was - wenn ich sie nicht hätte retten können?" Sie macht sich Vorwürfe, keinen Notarzt gerufen zu haben, weil der Junge schon kurz nach der Rettung wieder munter herumsprang und sich auch der Rest der Gruppe wohlauf zeigte. Die Frauen haben sich bei ihr bedankt, "aber ich war so fertig, dass ich sie nicht mal nach Namen gefragt habe". Sie wolle keineswegs als Heldin gefeiert werden, sagt die 55-Jährige. "Ich will nur vor den Gefahren beim Baden in der Elbe warnen." Selbst sie schwimme nie allein in der Elbe, "so viel Respekt habe ich davor".
"Die Elbe ist selbst im Uferbereich tückisch", sagt auch ihr Vereinsvorsitzender Uwe Gerlach. Das so genannte Kehrwasser zwischen den Buhnen habe eine nicht zu unterschätzende Strömung, und die tiefen und flachen Stellen wechselten ständig. In Konsequenz aus dem Geschehen werde der Verein sein Gelände künftig verschlossen halten. Mit dem Pachtvertrag hatte sich die Stadt auserbeten, das Areal öffentlich zugänglich zu lassen. Zwar gibt es dort Schilder, dass Baden nur auf eigene Gefahr erfolgt. "Aber wenn etwas passiert, fällt es doch auf den Verein zurück. Das können wir haftungsrechtlich nicht stemmen", sagt Gerlach.