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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Ehrenkreuz für ein 99-jähriges Vorbild

Von Claudia Lasslop 02.03.2012, 16:25

Kropstädt/MZ. - Nicht nur der älteste im Raum soll Willi Herrler am Freitag gewesen sein, sondern auch einer der ältesten in Kropstädt. Zu seinem 99. Geburtstag hatte sich schon am Vormittag eine stattliche Menge von Gästen in Kropstädt eingefunden und einer brachte ein ganz besonderes Geschenk.

Das Ehrenkreuz der Kreishandwerkerschaft für seine besonderen Verdienste im Handwerk überreichte Karl Krökel, Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau-Roßlau / Wittenberg. Während er sich allzu oft mit Nachwuchssorgen beschäftigen muss, sind solche Anlässe wesentlich beliebter: "Ich bin froh über Veteranen wie ihn. Sie sind ein Vorbild für den handwerklichen Nachwuchs", begründete er die Auszeichnung, die neben vielen anderen einen Platz an der Wand bei Willi Herrler finden wird.

Die zahlreichen Rahmen mit Urkunden, Auszeichnungen und Orden an den Wänden erzählen die Lebensgeschichte Willi Herrlers. Die beiden Meisterbriefe für den Zimmerer und den Maurer aus den Jahren 1937 und 1939 erinnern an seine Ausbildung, die im väterlichen Baugeschäft begann und ihn an die Bauschule nach Zerbst führte, die er 1934 als Bauingenieur abschloss. "Mein Vater war ein sehr strenger Lehrmeister und noch dazu war ich der älteste von vier Söhnen", erzählt Herrler.

Was sich an der Wand nicht findet, ist die Erinnerung an eine ungewöhnliche Begegnung im Jahr 1928. Während seiner Gesellenzeit sei eine Frau in den Betrieb gekommen. Sie habe erst um Holz gebeten und ihm dann aus der Hand gelesen. "Mit meinen 99 Jahren weiß ich heute, dass alles gestimmt hat, was sie mir damals vorher gesagt hat", erzählt er. Dass er einen Krieg erleben würde, der mehrere Jahre dauert und dass er diesen überlebt, habe sie ihm prophezeit. "Sie hat mir einiges gesagt, das mir nicht so gefallen hat, aber es ist alles eingetroffen."

Geboren im Jahr 1913, erlebte Herrler den Zweiten Weltkrieg vom ersten Tag an, war in Polen, Frankreich und Russland stationiert und kam aufgrund einer Verletzung im Jahr 1943 ins Feldlazarett. "Ich war einer der ersten, die nach Kropstädt zurückkamen", erzählt er. An seinen Wänden hängen neben Erinnerungen an diese Zeit auch die Auszeichnungen für seine beruflichen Erfolge - wie der Diamantene Meisterbrief für sein 60. Meisterjubiläum.

Nicht nur von seinen Erlebnissen während des Kriegs kann Herrler erzählen, auch ans Ende der 50er Jahre in der DDR erinnert er sich, als sein Vater mit seinem Unternehmen in die Produktionsgenossenschaft des Bauhandwerks gedrängt wurde. Bis zuletzt habe er sich dagegen gewehrt, schließlich aber gab es ab 1. Januar 1960 die PGH des Bauhandwerks Kropstädt, in der Willi Herrler Betriebsmeister wurde.

Ein ständiges Kommen und Gehen herrschte am Freitag den ganzen Tag, immer neue Gedecke wurden aufgetischt, ständig neue Glückwünsche und Geschenke erreichten den 99-Jährigen. Selbst Tochter Christina Töpfer war von so vielen Gratulanten überrascht und kümmerte sich mit Unterstützung von Mann und Sohn um jeden Gast. Dass der Tag soviel Trubel bringen würde, überraschte Jubilar Herrler sichtlich und einer überschwänglichen Gratulation entgegnete er: "Und dabei ist es doch nicht mal ein runder Geburtstag."