Kollegiales Fachsimpeln zu ungewöhnlicher Stunde
BAD SCHMIEDEBERG/MZ. - Stellvertretend für sie alle nahmen am Vormittag von Heiligabend die Chefärzte der beiden Reha-Kliniken für Orthopädie und Gynäkologie, Dr. med. Gunter Müller und Dr. med. Klauspeter Cornelius, die Leiterin des Kurmittelhauses Angelika Berndorff sowie weitere leitende Therapeuten Weihnachtsgrüße von Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) entgegen.
In der Mission, "Menschen zu besuchen, die an den Feiertagen arbeiten zu müssen", hatte der Landesvater zuvor dem Übergangswohnheim für alkoholkranke Männer und Frauen der Heporö gGmbH in Zemnick seine Aufwartung gemacht.
Bei der Gesprächsrunde mit dem medizinischen Personal in der Gemütlichkeit des Salons "Hauswald" des Bad Schmiedeberger Kurmittelhauses interessierte sich Böhmer, langjähriger Chefarzt der Gynäkologie am Wittenberger Paul-Gerhardt-Stift, für die Organisation des Stations- und Therapiealltags in den beiden Reha-Kliniken. Erstaunt nahm er zur Kenntnis, dass dort 23 Ärzte beschäftigt sind.
"Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo sechs bis acht Ärzte so eine Kurklinik geschmissen haben", sagte er. "Die Patienten sind kränker geworden", erklärte Kurdirektor Siegfried Scholz. Bis Anfang der 1990er Jahre habe eine Kur vorrangig präventiven Charakter gehabt, "heute halten wir fast das ganze Krankenhausangebot vor". Viele Patienten kämen schon vier bis fünf Tage nach einer Operation zur Anschlussheilbehandlung, und es seien, wie Scholz hinzufügt, immer mehr ältere Menschen. Insbesondere in der Orthopädie, wo das Durchschnittsalter mittlerweile 70 Jahre betrage. Etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten benötigten bei ihrer Ankunft Pflege, berichtete Chefarzt Müller.
Bei den von den Kostenträgern verordneten Reha-Aufenthalten in der Orthopädie sowie bei der Anschlussheilbehandlung nach gynäkologischen Krebsoperationen kämen die Patienten zu 90 Prozent aus Sachsen-Anhalt. Ein Alleinstellungsmerkmal in Ostdeutschland habe die gynäkologische Rehaklinik Bad Schmiedeberg derweil mit der ganzheitlichen Endometriose-Therapie, diese Patientinnen kämen auch von weiter her.
Immerhin knapp 40 Prozent der Kurgäste sind laut Scholz Privatzahler, "und das bei einer starken Konkurrenz allein schon in der Bundesrepublik. Das ist schon ein Zeichen für Qualität". Dem stimmte Böhmer uneingeschränkt zu. Wenn er dafür auch immer wieder die Diskussion über sich ergehen lassen müsse, dass mit dem Solidarbeitrag des Westens die Konkurrenz im Osten aufgebaut worden sei. "Das ist ja nicht ganz falsch", sagte Böhmer. "Wir müssen die Diskussion zur Kenntnis nehmen und aushalten."
170 Millionen Euro, überschlugen Geschäftsleitung und Ministerpräsident, wurden allein in die Anlagen der Eisenmoor Kur GmbH investiert, dazu rund 25 Millionen Euro in die Reha-Klinik des Rentenversicherungsverbundes. Noch nicht eingerechnet seien da die Investitionen in die Infrastruktur der Stadt. Dass die Steuermittel gut angelegt worden sind, wie der designierte Kurdirektor Deddo Lehmann Kritikern entgegen hält - "besser jedenfalls, als damit Arbeitslosigkeit finanzieren zu müssen", davon konnte sich der Ministerpräsident bei seinem kleinen Rundgang durch das Kurzentrum überzeugen.
Bei der Führung durch das Kneipp-Therapiezentrum zollte Wolfgang Böhmer dem Architekten sowie der Leiterin der Kurgärtnerei Constanze Zepperitz große Anerkennung für das "rundum gelungene" Werk.