Kirche in Wittenberg Kirche in Wittenberg: Mit Leidenschaft im Zentrum für Predigtkultur

Wittenberg - Von Wittenbergs einstigem Oberbürgermeister Eckhard Naumann stammt die Bemerkung, man sollte aus dem Rathaus klüger herauskommen, als man hinein gegangen ist. Der Satz lässt sich, leicht abgewandelt, auch auf andere Bereiche anwenden, Kathrin Oxen etwa meint: „Man muss anders aus der Kirche gehen als hinein.“ Das freilich hängt von einigen Faktoren ab, vor allem aber vom Grund, der jemanden in eine Kirche führt. Es macht einen Unterschied, ob einer, sagen wir, als (Kultur)Tourist unterwegs ist, oder ob man sich sonntags die Zeit für einen Gottesdienstbesuch nimmt.
Das Zentrum für evangelische Predigtkultur in Wittenberg gibt es seit 2009, seit einigen Jahren hat es seinen Sitz im Cranach-Hof am Markt 4. Über seine Zukunft heißt es im Programm für 2017, es sei „bereits klar und ein Ausdruck des nachhaltigen Engagements der EKD am Ursprungsort der Reformation“, dass die Arbeit auch nach 2017 weitergehen wird.Beiwww.predigtzentrum.de stehen ausführliche Infos zum Programm der Einrichtung im Internet.
Letzteres hält Oxen, Pfarrerin und Leiterin des EKD-Zentrums für evangelische Predigtkultur in Wittenberg, gar nicht mehr für so selbstverständlich. Umso wichtiger sei dann eine gute Predigt - und genau da gibt es offenbar gelegentliche Defizite, oder um an dieser Stelle die Journalistin Evelyn Finger zu zitieren: Sie beklagte 2007 in der „Zeit“ besonders im Zusammenhang mit Weihnachten im Hinblick auf die Predigt gar den „Niedergang als Kunstform“ und fand, dass die „kämpferischen Zeiten“, als Martin Luther „den Wittenbergern mitten im Dezember wegen spärlicher Kirchenbesuche mit Predigtstreik drohte“, vorbei seien.
Dort, in Luthers Stadt, arbeitet seit 2009 das Predigtzentrum daran, bei Pfarrern „die Leidenschaft für das Predigen zu intensivieren“. 2012 übernahm dessen Leitung die Theologin Oxen, die 2009 mit dem Ökumenischen Predigtpreis für die „Beste Predigt“ ausgezeichnet wurde. Was aber macht eine gute Predigt genau aus? Dafür scheint es keine Zauberformel zu geben, wohl aber allerhand „Basics“. Es gehe um die Sprache, den Auftritt, einen eigenen Stil, um den nachvollziehbaren Aufbau eines Textes und besonders auch um dies: „Die Leute wollen eine Position hören.“ Gerade das sei nicht einfach, „man macht sich nackig“, sagt Oxen salopp. Tatsächlich kann sich auch der Laie vorstellen, dass es nicht leicht ist, Sonntag für Sonntag eine packende Predigt zu halten.
Im Predigtzentrum haben sie sich bei der Arbeit mit Pfarrern fürs Coaching entschieden, Oxen nennt das eine zeitgemäße Methode. Es gehe darum, lösungsorientiert mit den Teilnehmern zu arbeiten, im Vordergrund stehe die Motivation und nicht der Blick auf das, „was einer alles nicht kann“. Die Arbeit an einer predigenden Person teilt Oxen sich mit Dietrich Sagert. Und während sie sich um den Text kümmere, mache der Referent für Redekunst und Rhetorik, der unter anderem auch Theaterregisseur ist, das „Auftrittscoaching“. Von Sagert ist auf der Website des Predigtzentrums übrigens folgender schöne Satz zu lesen: „Beim Predigen geht es darum, das Einzigartige der Person des Predigenden zum Blühen zu bringen, zu sehen, was sie antreibt zu jener werklosen Tätigkeit, die man Glauben nennt.“
Nun richten sich die Angebote des Predigtzentrums naturgemäß an ein Fachpublikum, doch die Ergebnisse seiner Arbeit wirken dann eben doch in die Gesellschaft, mindestens in die kirchliche. Einmal im Jahr aber begeben sie sich gänzlich in den öffentlichen Raum, wenn sie zum Predigt-Slam ins Clack-Theater einladen. 2017 wollen sie es damit auf die Spitze treiben und die Prediger im Rahmen des Kirchentags im Mai auf Wittenbergs Marktplatz schicken. Dann, so Oxen, „werden wir schauen, ob man heute noch mit Worten so wirken kann wie Luther“.
(mz)