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Kapelle des Wittenberger Hauptfriedhofs Kapelle des Wittenberger Hauptfriedhofs: Grauer Schiefer, rote Fugen

Von irina steinmann 04.02.2016, 18:26
Die eingerüsteten Kapelle, die 2016 fertig werden soll. Saniert werden müssten auch die historischen Mausoleen (kl. Foto rechts); deren Rettung ist aber, nicht nur finanziell, schwierig.
Die eingerüsteten Kapelle, die 2016 fertig werden soll. Saniert werden müssten auch die historischen Mausoleen (kl. Foto rechts); deren Rettung ist aber, nicht nur finanziell, schwierig. Klitzsch Lizenz

Wittenberg - Das zarte Klopfen ist schon von weitem zu hören. Kein Specht. Arbeiter sind der Kapelle aufs Dach gestiegen. Ihr Hämmern zerteilt das Grundrauschen der Bundesstraße an diesem ansonsten sehr stillen Ort. In der Ferne wiegt sich sacht ein roter Luftballon in Herzform, ein letzter Gruß für jemanden, der die Erde vor noch nicht allzu langer Zeit verlassen haben kann. Luftballons sind ja nichts für die Ewigkeit.

Neogotik von1887

Neben der Kapelle steht Axel Ostermann aus Thüringen und hackt emsig Schieferplatten in Form. Die Ecken müssen ab. Das Gotteshäuschen von 1887 wird fachgerecht saniert. Endlich zu Ende saniert, müsste man sagen, denn einiges ist bereits gemacht worden an der Friedhofskapelle in jüngerer Zeit, 2004 etwa kamen künstlerisch gestaltete Glasfenster hinein. Die dicksten Brocken liegen freilich noch vor der Stadtkirchengemeinde, die den Gottesacker an der Dresdener Straße seit alters her für alle Wittenberger betreibt. Da kann es nicht schaden, dass dessen Leiterin Bauingenieurin ist. Im Frühjahr 2014 hat Edda Schumann ihre Stelle angetreten. Seither ist die Sanierung der Friedhofsbauten stärker ins Zentrum gerückt. Dass die Mittel damit nicht Schritt halten, steht auf einem anderen Blatt. Friedhofskapellen, erläutert Schumann, sind „kurioserweise“ nicht förderfähig, kein Staatsgeld, keine Lotto-Toto-Unterstützung also, da mag man Denkmal sein - wie im vorliegenden Fall - oder nicht.

Auch bei diesem Anlauf reicht es also nur für die „Grundgewerke“, sagt Schumann. Aber was heißt hier nur! Das Dach, laut Leistungsverzeichnis immerhin rund 200 Quadratmeter Fläche - was mit seiner neogotischen Verwinkeltheit zu tun hat - wird in voraussichtlich wenigen Wochen sein wie neu, wenn Ostermann und die anderen Spezialisten aus dem thüringischen Schleusingen den rechteckigen Schiefer verbaut haben. Der kommt übrigens aus Spanien und wird im Hunsrück vorbereitet, bevor er nun von Thüringern in Wittenberg verbaut wird. Ein Schwerpunkt neben dem Dach, das zuvor auch Arbeitsfeld der Zimmerleute war (und teils schwammbefallen), ist Schumann zufolge die Trockenlegung des Baus. Der Friedhof, 2002 vom Hochwasser heimgesucht, befindet sich auf eher feuchtem Grund. Im Keller lässt sich das besichtigen. Großflächig wurde hier bereits der Putz abgeschlagen: wenn es wärmer ist, werde rund ums Gebäude aufgegraben.

Der Hauptfriedhof befindet sich seit 1527 an der heutigen Dresdener Straße, zunächst an der Südseite („Alter Friedhof“); um 1600 kam es zur Erweiterung auf der Nordseite. Die dort erhaltenen Bauwerke (Kapelle, Portal, Mauer) datieren aus dem späten 19. Jahrhundert.

12.000 Grabstellen umfasst der Friedhof, darunter 7.000 „aktive“. Die - insgesamt 15 - Mitarbeiter betreuen 1 000 Pflegegräber im Auftrag von Angehörigen. Als einer der wenigen Friedhöfe bestatte man noch selbst, betont Schumann, übrigens nicht nur an der Dresdener Straße, sondern auch in Teuchel und in Gemeinden südlich der Elbe. Der Trend geht unterdessen auch in Wittenberg zu „Gemeinschaftsanlagen“, zur - anonymen - grünen Wiese. Aus finanziellen oder familiären Gründen verzichten immer mehr auf eine identifizierbare Begräbnisstätte. Die grüne Wiese der Wittenberger liegt im Bereich Richtung Kirchhofstraße - man habe aber vor, die dort zu Bestattenden durch Namensschildchen am Weg doch für die Nachwelt kenntlich zu machen, kündigte Schumann an; auf Wunsch der jeweiligen Angehörigen werde dies auch für dort bereits Bestattete möglich sein. Eigentlich kennt die Kirche nämlich keine anonymen Bestattungen.

Von der neuen Friedhofsgebührensatzung erhofft sich die Verwaltung mehr finanziellen Spielraum - für die alltägliche Arbeit und bauliche Verbesserungen. Man müsse den Leuten etwas Neues anbieten, findet Schumann. Jüngster Coup ist der so genannte Petrusplan gleich neben der Kapelle. Dort sind 150 Plätze für Urnengräber angelegt worden, für Paare und für Einzelpersonen. Noch markieren als Platzhalter Granitsteine die Stellen, an denen bald 30 mal 30 Zentimeter große rote Natursteinplatten mit Namen und Daten der dort Begrabenen liegen. Es gibt dort separate Ablageflächen für Blumen und es sollen noch Bänke zum Innehalten aufgestellt werden. Die Anlage „Petrusplan“ hat Edda Schumann übrigens selbst entworfen.

Und dann ist da noch die Sache mit der Fassade. Der rote Backstein wird, laut Plan ebenfalls noch in diesem Jahr, gereinigt. Und neu verfugt. Als Kostentreiber erweist sich hier die Auflage des Denkmalschutzes, die rote Fugenfarbe wiederherzustellen - Pinsel gilt nicht, es muss schon roter Mörtel sein, erläutert die Friedhofschefin.

Auch im Inneren der Kapelle wird es positive Veränderungen geben. Der angejahrte Teppichboden kommt weg und die historischen Fliesen in Weiß und Rot wieder zum Vorschein, zudem wird es eine neue (Gas-)Heizung geben, anstelle der stromfressenden Heizgeräte an den Wänden. Und eigentlich, seufzt Edda Schumann, „bräuchten wir auch eine neue Bestuhlung...“.

Aber daran ist vorerst nicht zu denken. Die 265 000 Euro, die für die Sanierung diesmal insgesamt zur Verfügung stehen, werden bald aufgebraucht sein. Flankierend läuft eine Spendenaktion. Ein Wittenberger Tischlermeister in Ruhestand, der sie auch bei der Kapellensanierung unterstützt hat, hat ihnen ein Holzhäuschen gebaut, die Kapelle in klein, als Spendensparbüchse. Es ist nämlich nicht nur so, dass es keine Fördermittel gibt - so ein Friedhof habe eben auch keine Lobby, sagt Schumann nach Bittbriefen an Unternehmen. Dabei gibt es baulich noch einiges zu tun auf Wittenbergs mehr als 400 Jahre altem Gottesacker. Das Hauptportal muss saniert werden; zu diesem Zweck werden das Kreuz und die aufliegenden Sandsteinplatten, wie schon bei der Kapelle, abgebaut und soweit möglich aufgearbeitet, sonst ersetzt. Ebenfalls noch 2016, hoffentlich.

Wer rettet die Mausoleen?

Und dann sind da noch die fünf Grabhäuser an der Mauer zur Dresdener Straße: wunderschöne historische Mausoleen - und Sorgenkinder der Friedhofsverwaltung seit Jahren. Die Monumente aus der Zeit um die Jahrhundertwende bröckeln, Vandalen zeigen immer mal Interesse. „Wir sind in Zugzwang“, sagt Edda Schumann, doch mehr als Notsicherungen seien finanziell nicht drin - und selbst die kosten.

Dabei mangelt es ihr nicht an Ideen für die Mausoleen. Ein Columbarium etwa, das sind übereinander in der Wand angeordnete Urnen, ließe sich einrichten. Theoretisch. Praktisch müsste man Geld haben - und für umfangreiche Arbeiten und Veränderungen auch die Zustimmung möglicher Nachfahren der lange Verblichenen. (mz)

Wer für die Friedhofskapelle spenden möchte: Kreiskirchenamt Wittenberg, IBAN: DE 9135 0601 9015 5174 8010, BIC GENODED1DKD, Verwendungszweck: Sanierung FH-Kapelle

Friedhofschefin Edda Schumann
Friedhofschefin Edda Schumann
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Saniert werden müssten auch die historischen Mausoleen deren Rettung ist aber, nicht nur finanziell, schwierig.
Saniert werden müssten auch die historischen Mausoleen deren Rettung ist aber, nicht nur finanziell, schwierig.
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