"Junker Jörg" geht auf Reisen "Junker Jörg" geht auf Reisen: Hotelschiff ade

Wittenberg - Schiffe sollen fahren, nicht am Anleger dümpeln. Jan Harnisch, Kapitän und umtriebiger Unternehmer aus Wittenberg, hat seine Pläne geändert, ein bisschen zumindest. Die „Junker Jörg“ mit ihren 56 Kabinen und Suiten, im vergangenen Jahr noch als Hotelschiff angepriesen, soll ein Hotel nie wieder sein - und auch kein öffentliches Restaurant mit schönem Blick auf die Elbe.
„Wir sind jetzt ein reines Kabinenkreuzfahrtschiff“, verkündet Harnisch, allzu oft wird „Junker Jörg“ im Heimathafen Wittenberg künftig nicht mehr festmachen.
Anleger-Frage noch ungeklärt
Zwar waren Flusskreuzfahrten ab 2018 ohnehin geplant mit dem knapp 100 Meter langen Schiff, ursprünglich wollte Harnisch aber den Sommer über in Wittenberg bleiben und die Kabinen dem Markt als Hotel zur Verfügung stellen. Davon weicht er nun ab, aus verschiedenen Gründen: Die Betriebskosten seien viel zu hoch, die Frage des Anlegers ist noch immer nicht geklärt - das große Schiff muss mangels eines eigenen Platzes im Wittenberger Hafen die Anleger nach wie vor wechseln.
Zwar sollte das Problem ursprünglich in diesem Jahr gelöst werden mit dem Bau einer 130-Meter-Wendeschleife, ein Datum habe das Wasser- und Schifffahrtsamt, mit dem 2017 so mancher Strauß ausgefochten wurde (die MZ berichtete), aber bislang nicht genannt. Schließlich sei die Kreuzfahrt das bessere Geschäft, sagt der Eigner: „Wir haben das durchgerechnet. Mit dem Hotelbetrieb ist kein Geld zu verdienen.“
Jan Harnisch ist an mehreren Unternehmen beteiligt oder führt sie allein. Die „Junker Jörg“ hat er gemeinsam mit Mike Pickrahn erworben, die Firma heißt Luther Travel Cruises GmbH, auch die Wittenberger Altstadtbahnen GbR gehört den beiden Männern. Dass der Betrieb der zwei Bahnen ein lohnendes Geschäft ist, leugnet Harnisch nicht. Gerade 2017 haben zahlreiche Gäste der Stadt die Gelegenheit genutzt, sich durch die Altstadt schaukeln zu lassen. Die erste Bahn, die in Wittenberg gefahren ist, wurde im Übrigen verkauft, aus Altersgründen („Wir hatten Sorge, dass sie 2017 nicht übersteht.“), eine neue aber bereits angeschafft: „Die geht Ostern in Betrieb.“ Wie im vergangenen Jahr soll auch 2018 wieder eine Art Linienverkehr mit festen Haltestellen eingerichtet werden. Hinzu kommen die Buchungen durch Gruppen, die zurzeit ähnlich gut laufen wie im Jubeljahr 2017, so der Unternehmer.
Weitere Informationen und Buchungen unter anderem im Charterbüro in Wittenbergs Schlossstraße 16, Tel. 03491/7 69 04 33.
Dabei lief das vergangene Jahr, das Jubiläumsjahr, nach zähem Beginn nicht schlecht. Harnisch spricht von etwa 80 Prozent Auslastung in den guten Monaten, im Sommer und im Herbst. „Das Schiff wurde gut angenommen.“ Von Hotelgästen, weniger gut lief hingegen das öffentliche Restaurant - von den Wittenbergern hatte sich das Team mehr Resonanz erhofft.
Und dass man mit den Preisen für die Kabinen runtergehen musste, weil plötzlich doch noch zahlreiche Betten verfügbar waren in der Stadt, trug nicht zu einem besseren Ergebnis bei: „2017“, bilanziert der Unternehmer, „war in Ordnung. Aber reich, wie das im Vorfeld mancher dachte, sind wir nicht geworden.“
Crew ist angeheuert
Das stattliche Schiff erworben zu haben, bedauert Harnisch jedenfalls nicht. Er setzt jetzt auf Kreuzfahrten. An diesem Sonntag besteht die auf unabsehbare Zeit letzte Gelegenheit, „Junker Jörg“ zu betreten, wenn man kein Kreuzfahrtpassagier ist. Zwischen 11.30 und 15 Uhr wird zum Lunch geladen (Reservierung erbeten). Danach geht es an die Vorbereitungen für die Kreuzfahrten: Die inzwischen angeheuerte Crew - 25 Leute aus ganz Europa, davon acht Seemänner - muss trainiert werden.
Der Schiffsführer, Joachim Schramm, der aus Tangermünde stammt, ist bereits an Bord. „Ich fahre seit 41 Jahren auf der Elbe und habe so ziemlich alles bewegt, was schwimmt.“ Ostern startet die erste Tour: Wittenberg - Bad Schandau - Wittenberg, vom 30. März bis zum 4. April. Einige Plätze sind noch zu haben.
Zwischen Hamburg und Melnik
Dann, nach fünf Tagen, die für Wartungsarbeiten reserviert sind, sollen die Elbe-Kreuzfahrten aufgenommen werden zwischen Hamburg und Melnik, jeweils eine Woche. Harnisch kooperiert mit mehreren Reiseveranstaltern, die dafür sorgen sollen, dass die Kabinen möglichst ausgebucht sind. „In Wittenberg sind wir nur noch, wenn die Stadt auf dem Fahrplan steht.“
Auch im Sommer wird „Junker Jörg“ weit jenseits des Heimathafens schippern. Kreuzfahrten sollen in dieser Zeit, wenn erfahrungsgemäß das Niedrigwasser Fahrten auf der Elbe schwierig macht, zwischen Stralsund und Stettin angeboten werden. Im Herbst geht es wieder auf die Elbe.
Jan Harnisch, der bekanntlich ein Kapitänspatent besitzt, wird die Fahrten begleiten und selbst mit am Steuer sitzen. „Ich freue mich richtig. Das wird ein verrücktes Jahr. Aber ich muss noch viel lernen. Von 35 auf 95 Meter, das ist ja keine Kleinigkeit.“
Er spielt damit auf die kleine Schwester von „Junker Jörg“ an, das Motorschiff „Lutherstadt Wittenberg“. Das bleibt in der Stadt und hat seine ersten Touren auf der Elbe bereits hinter sich. Das Konzept wird bei MS „Wittenberg“ nicht geändert.
Im Angebot sind Panorama-Fahrten, Tagesausflüge, Themenabende. Die Schiffsführung allerdings übernimmt ab diesem Jahr der Sohn des Unternehmers, Lasse Harnisch: „Am 28. März macht er sein Patent. Er soll Erfahrungen sammeln“, wünscht der Papa. (mz)