Jobcenter Wittenberg Jobcenter Wittenberg: Undurchsichtiger Bescheid

Wittenberg - Wenn ein Hartz-IV-Empfänger eine Nebentätigkeit aufnimmt oder ein Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung, sollte er das sofort dem Jobcenter anzeigen. „Am besten vorab, damit er sich beraten lassen kann“, empfiehlt die Pressesprecherin des Jobcenters Annette Fesser.
Sonst kann es zu bösen Überraschungen kommen, wie sie eine Wittenbergerin Anfang September erlebt hat. Ihr Kontostand ist am 1. des Monats mit 77 Euro in den Miesen. Da hatte die Bank schon die Überweisung der Miete gestoppt. Der 58-Jährigen ist das nicht nur hochnotpeinlich. Sie bekommt Panik, weil sie nicht weiß, wovon sie sich Lebensmittel kaufen soll und sie fürchtet, ihre Wohnung zu verlieren.
Nicht dass die Frau über ihre Verhältnisse gelebt hat. Zur Sicherung des Grundbedarfs bekommt sie zusätzlich zum Arbeitslosengeld I Hartz IV. Letzteres hatte das Jobcenter mit Bescheid vom 26. August komplett eingestellt, nachdem die Frau angezeigt hatte, dass sie ehrenamtlich als Betreuerin für Demenzkranke tätig ist und sich noch ein paar Cent mit dem Austragen von Zeitungen dazuverdient.
Für Nebeneinkünfte gilt beim Arbeitslosengeld I eine Freibetragsgrenze von 165 Euro bei maximal 15 Arbeitsstunden. Für ein Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung sind 200 Euro anrechnungsfrei, dies gilt auch beim Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Allerdings summieren sich die Freibeträge nicht, es gilt immer die höhere Freibetragsgrenze.
Das Arbeitslosengeld II setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf (Sozialgeld), dem Mehrbedarf und den Unterkunftskosten. Wird ein Einkommen, dazu zählen neben Erwerbseinkommen auch Arbeitslosengeld I, Renten, Kindergeld, Unterhalt, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Zinsen, wird das vom Gesamtbedarf abgezogen. (teo)
In ihrer Not sucht die 58-Jährige den Beistand von Wolfram Altekrüger, Vorsitzender des Bezirkserwerbslosenausschusses bei „ver.di“. Er begleitet die Frau ins Jobcenter, wo sie im Servicebereich ihre Notlage schildert. Die Mitarbeiterin im Servicecenter habe sich sehr bemüht und eine Anweisung für eine Barauszahlung vorbereitet. Die wird von der Leistungsabteilung jedoch abgelehnt. Da hilft auch der sofort beschaffte Beleg von der Arbeitsagentur Magdeburg nicht, dass der Nebenverdienst etwa 33 Euro beträgt. Im Ehrenamt sind bis 200 Euro anrechnungsfrei. Die Mitarbeiterin in der Leistungsabteilung bleibt auch am nächsten Tag stur. Es müsse erst eine Neuberechnung erfolgen.
„Die Mitarbeiterin hat richtig gehandelt“, erklärte Annette Fesser gegenüber der MZ. Weil die Wittenbergerin die Nebentätigkeiten im Juli begonnen, aber erst im August angezeigt habe, sei schon eine Überzahlung entstanden. Gleichwohl sei die Angelegenheit überprüft und die Zahlung inzwischen angewiesen worden. Für Altekrüger ist das nicht zufriedenstellend. „Der neue Bescheid ist undurchsichtig“, sagt er, weshalb der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht, den die Frau gleich nach der mündlichen Ablehnung gestellt habe, aufrecht erhalten bleibe. Kritik übt Altekrüger zudem am Umgang einiger Jobcenter-Mitarbeiter mit den Kunden: „Da sind Ermessensspielräume nicht genutzt worden.“ (mz)