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Immer mehr Betriebe «schweinefrei»

Von Markus Wagner 22.02.2008, 17:18

Wittenberg/MZ. - Der Landwirtschaftsbetrieb Selbitz ist einer derjenigen, die die Segel gestrichen haben. "Seit Mitte Januar sind wir schweinfrei", sagt der Vorsitzende Rainer Gebhardt. Einst verließen an die 10 000 Ferkel im Jahr den Betrieb in Richtung Mäster. "Für uns Ferkelzüchter ist das eine ruinöse Angelegenheit geworden", sagt Gebhardt. Einerseits seien die Preise für seine aufgezogenen Ferkel - die so genannten Läufer - um fast 60 Prozent gesunken, andererseits Rohstoffe und Energiekosten um die 30 Prozent gestiegen. Die Folge für den Betrieb in Selbitz: "Pro Ferkel haben wir im vergangenen Jahr durchschnittlich 20 Euro Verlust gemacht", rechnet Gebhardt vor.

Damit ist jetzt allerdings Schluss. "Wir standen vor der Entscheidung, weiter investieren zu müssen", sagt Gebhardt. Weil er aber auf absehbare Zeit keine Erholung der Preises sah, "haben wir das nicht mehr gewollt". Dann allerdings blieb nur, die Ferkelzucht gänzlich aufzugeben. "Unter der Hand beneiden uns einige Kollegen", sagt Gebhardt. Denn die Schweinezucht hat in Selbitz nur einen Anteil von zehn Prozent am Gesamtumsatz ausgemacht. "Wir konzentrieren uns jetzt auf Ackerbau und Milchvieh", so Gebhardt.

Bernd Winkler, Chef der Landwirtschaftsbetriebe in Kropstädt und Mochau / Schmilkendorf, hat sich noch nicht verabschiedet von seinen Schweinen. 70 Prozent des Umsatzes macht er mit Schweinen. "Gäben wir das auf, müssten wir den Betrieb komplett neu strukturieren", sagt Winkler. Gepaart mit dem Wissen, die Produktion nicht von heute auf morgen einstellen zu können und einer Prise Hoffnung heißt das für Winkler: "Weitermachen, auch wenn der Punkt erreicht ist, wo der verantwortungsvolle Kaufmann Schluss machen müsste". Denn die Zahlen sehen bei Winkler nicht viel anders aus als in Selbitz: "Uns fehlen derzeit 30 Euro pro Schwein." Solche Zeiten kennen Winkler und Gebhardt eigentlich. "Schweinezyklus" nennen beide das. Der Preis für Schweinefleisch hat schon immer geschwankt. Zeiten, mit einkömmlichen Preisen haben sich mit solchen ohne immer abgewechselt. Früher so, dass es sich im Grunde ausgeglichen hat. Jetzt allerdings - so sagt es Gebhardt - hat sich das Gefüge verschoben: "Das Verhältnis gute Zeiten zu schlechten Zeiten liegt bei 20 zu 80 Prozent", sagt der Selbitzer. Und als ob das nicht genug wäre, machen die Futterpreise das jetzt schon so lange anhaltende Tal noch ein gutes Stück tiefer. "Durch die Förderung nachwachsender Rohstoffe sind auch die Futterpreise in die Höhe gegangen", erklärt Winkler. Seit Biogasanlagen-Betreiber die Nachfrage für Weizen oder Mais in die Höhe schnellen lassen, wird's auch für die Züchter teurer. So teuer, dass es sich nicht mehr rentiert.

Betroffen sind davon im Moment vor allem die Ferkelzüchter. "Für die Mäster war das vergangene Jahr auch nicht gut, ihre Verluste waren aber geringer, weil sie günstig Ferkel bekommen haben", erklärt Gebhardt. Hätte er seine Läufer zum auskömmlichen Preis verkaufen können, wäre der Verlust an den Mästern hängen geblieben. Am besten ausgleichen könnten das kombinierte Betriebe.

Und das sind derzeit nicht die lange ansässigen Agrarbetriebe, in denen Schweinezucht nur ein Teil des Ganzen ist. In Düben sollen bald 5 500 Muttersauen stehen - 50 Prozent mehr als bisher. In Gerbisbach plant ein Investor eine "integrierte Anlage" mit rund 30 000 Schweinen. "Immer weniger produzieren immer mehr", befürchtet Winkler. "Muss nicht sein", meint Gebhardt. Wichtig sei, sich auf die Schweinezucht zu konzentrieren. In Selbitz wird das nie mehr der Fall sein. "Selbst wenn die Preise astronomisch stiegen, wir überlassen das Feld anderen." Auch eine Form der Marktbereinigung, auf die so mancher hofft.