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Flutkatastrophe Ahrtal Hilfe für Sportler kommt aus dem Landkreis Wittenberg

Pretzscher Läufer helfen dem Turnverein Sinzig. Die Trainingsstätten sind verwüstet. Einwohner stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.

Von Michael Hübner 13.08.2021, 09:00
Sportler vom SV Grün-Weiß Pretzsch spenden für den Turnverein Sinzig.
Sportler vom SV Grün-Weiß Pretzsch spenden für den Turnverein Sinzig. (Foto: Sascha Graf)

Pretzsch - Iris Göddel protestiert. „Das war kein Hochwasser. Das war eine Sturzflut, ohne Vorwarnung und ohne Evakuierungen“, erzählt die Frau aus Sinzig (Kreis Ahrweiler). Die Ahr hat hier schon oft für Hochwasser gesorgt. Doch was jetzt hier passiert sei, sprenge jede Vorstellungskraft. „Es ist unfassbar“, sagt die Einwohnerin.

Zur Bilanz gehören zwölf Tote eines Heimes. In den überregionalen Medien wird von einem Mann berichtet, der sich an ein Fenster klammerte und stundenlang um Hilfe schreit. Die Stadtverwaltung nennt am Donnerstag auf MZ-Anfrage in einer „groben Prognose“ eine Schadenshöhe von 170 Millionen Euro.

Container im Baum entdeckt

Die Barbarossa-Stadt (17.000 Einwohner) ist als Ziel von Touristen bekannt. Radwanderungen standen vor der Naturkatastrophe hoch im Kurs. „Wir haben fünf Brücken. Sie sind alle weg“, berichtet Göddel, die Vorstandsmitglied beim Turnverein ist. „Von den zwei Sporthallen stehen nur noch die Mauern“, berichtet sie.

Auch der Sportplatz sei unbrauchbar. „Vom Grün ist überhaupt nichts mehr zu sehen“, schildert die Frau. „Das Stadion, das insbesondere unsere Leichtathleten nutzten, und dessen Stadionköpfe mit viel zeitlichem und finanziellem Engagement der Sportler in den vergangenen zwei Jahren mit einem Tartanbelag ausgestattet wurde, ist verwüstet“, so das Vorstandsmitglied. „Wir wollten jetzt die Laufbahn sanieren. Der Stadtrat hatte schon grünes Licht gegeben“, erzählt sie.

Ob die alte Bahn überhaupt noch laufbar ist, wisse niemand. „Es ist alles vom Schlamm bedeckt“, so Göddel. Zwei von vier Containern, in denen Sportgeräte und notwendige Utensilien lagern, seien noch immer spurlos verschwunden. „Einen haben wird in einem Baum entdeckt“, berichtet sie. Nach ersten Einschätzungen - „Unsere Vorstandsmitglieder sind ja fast alle persönlich betroffen“ - beträgt der Schaden an den vereinseigenen Sportgeräten zwischen 70.000 und 100.000 Euro.

Der Schaden an den Sportstätten selber sei deutlich größer. „Das sind städtische Anlagen“, erklärt Göddel. Der Alltag in den Abteilungen Leichtathletik, Handball, Rhönrad, Ski, Turnen und Volleyball ist - so formuliert es der Verein auf seiner Homepage - „ins Stocken geraten“. „Dieser Zustand wird noch lange andauern“, heißt es dazu im Internet.

Das Schicksal der Athleten berührt auch Mitglieder vom SV Grün-Weiß Pretzsch. „Wir haben eine ähnliche Struktur. Und bei beiden Vereinen ist die Leichtathletik das Aushängeschild“, sagt Andreas Hotek. Und die Läufer haben auch bei anderen Abteilungen Spenden gesammelt. 1.000 Euro gehen nach Sinzig.

Die Pretzscher Solidarität ist verständlich. Die Stadt selbst hat - auch wenn der Sportplatz nie in Gefahr war - schon Hochwassertage erleben müssen. Zuletzt war es 2013 eng. Das Kinder- und Jugendheim musste evakuiert werden.

Auf dem Schlossgelände und in den Kellern stand bereits das Wasser. Wie schon beim Jahrhunderthochwasser 2002 galt es, dramatische Tage zu überstehen in dem Schloss, das so idyllisch an der Elbe liegt - und in dem Kinder und Jugendliche betreut werden, die es nicht leicht haben im Leben. Vor Ort wurden unentwegt Sandsäcke geschleppt. Viele Menschen halfen, das Schloss und den durchweichten Deich zu retten.

Rudi-Altig-Turnhalle zerstört

Sind in der Stunde der Gefahr viele Menschen zur Stelle, sieht das anders aus, wenn die Lage nicht mehr so dramatisch ist: Die Sandsäcke müssen abtransportiert und entleert werden. Allerdings ist das Ausmaß der Aufräumungsarbeiten in Sinzig deutlich größer als in Pretzsch. In Sinzig gibt es Tonnen an Müll und Schlamm.

Die Ausmaße sind verheerend. Viele Anwohner stehen buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz. Das ist nicht zu vergleichen zwischen den beiden Städten. Aber eine Parallele zur Region gibt es doch noch. Der bekannteste Sportler aus Sinzig ist wie in Wittenberg ein Radsportler. Rudi Altig, der Weltmeister im Straßenrennen 1966, Etappensieger bei der Tour de France und dreifacher Weltmeister in der Einerverfolgung auf der Bahn, hat in Sinzig gelebt. Die Stadt hat eine Turnhalle - jetzt Opfer der Sturzflut - nach der Legende benannt.

Spendenaufruf für das Hochwassergebiet Ahrtal

Die Wörlitzer Fußballer haben am Donnerstag einen Spendenaufruf für die Opfer im Hochwassergebiet Ahrtal auf ihrer Facebookseite veröffentlicht.

Der Hauptsponsor der Wörlitzer Fußball-Damen hat bereits bei der großen Party zum 45. Firmengeburtstag Gelder gesammelt. Die Chefs Mike und Tanja Schärschmidt haben alle Gäste gebeten, auf Geschenke zu verzichten. Das Duo hatte stattdessen Spenden-Boxen aufgestellt, um die schwer vom Hochwasser getroffene Firma Wershofen GmbH aus Ahrweiler, die alles verloren hat, zu unterstützen. Letztendlich wurden knapp 5.500 Euro gespendet. „Eine absolut tolle Aktion“, kommentieren die Fußballer. (mz)