Hauptpost in Wittenberg Hauptpost in Wittenberg: Hoffnung auf mehr

Wittenberg - Passanten mögen sich verwundert die Augen gerieben haben, Halluzinationen hatten sie aber nicht: An der Wittenberger Hauptpost wird seit dem gestrigen Donnerstag tatsächlich gebaut. Am Vormittag legte ein Kran-Transporter mit Dresdener Kennzeichen rund drei Tonnen roten Sandstein vor dem Eingang an der Wilhelm-Weber-Straße ab.
In Einzelteilen und im Übrigen komplett neu angefertigt kehrt damit das Portal des gut 125 Jahre alten Gebäudes zurück. Vor gut zwei Jahren war es zunächst eingerüstet, Anfang 2017 dann abgebaut worden, nachdem die Teile sich gefährlich weit von der Fassade gelöst hatten. Und dann tat sich, zumindest sichtbar, erstmal wieder lange Zeit - nichts.
Im Hintergrund arbeiteten aber offenbar emsig der Denkmalschutz auf der einen und der Eigentümer respektive die von ihm beauftragten Fachleute auf der anderen Seite. Man rang um das Material.
Roter Stein
Es stellte sich heraus, dass der originale Sandstein des Portals kein rot bemalter, sondern ein von Natur aus roter gewesen war. Schließlich einigte man sich auf „Roten Main Sandstein“, der so heißt, weil er aus dem Maingebiet stammt. Die „beste Wahl“, sagt Steinrestaurator Peter Hoffmann, der an diesem Tag damit begonnen hat, die einzelnen Teile des Portals mit Hilfe des Krans an Ort und Stelle zu bringen und zusammenzusetzen. Diese bestimmte Rötlichkeit, Homogenität und Festigkeit nennt er als Vorzüge des aus der Ferne kommenden Gesteins, das nun an der Wittenberger Hauptpost verbaut wird. Hoffmann ist ein bisschen in Eile, so ein Kran sei teuer und er möchte ihn möglichst noch am selben Abend zurück nach Dresden schicken.
Seine eigene Arbeit dauert etwas länger, am heutigen Freitag – und für Restarbeiten, wohl auch noch am Montag – wird er an dem denkmalgeschützten Haus gegenüber vom Asisi-Panorama tätig sein.
Einer, der sich besonders darüber freut, dass hier etwas geschieht, ist Heinz Thieme, der Vorsitzende des kleinen, inzwischen nur noch sieben Köpfe zählenden Vereins „Freundeskreis Wilhelm Weber“. „Die sind so wunderhübsch“, sagt er und weist auf die beiden Kapitelle, die noch am Boden stehen. Sie sind übrigens verschieden, zeigt Thieme, das linke hat Blätter, das rechte Schnörkel. „Lange hat’s gedauert“, seufzt der Vereinsvorsitzende, der einem wahrscheinlich so gut wie alles erzählen könnte über das ihm zufolge erste Post- und Fernmeldeamt Deutschlands. „Ich bin jetzt erst mal froh, dass das hier fertig wird“.
Viel mehr als „das hier“, das neue Portal, hat die Öffentlichkeit nach Lage der Dinge fürs Erste auch nicht zu erwarten. Ein MZ-Anruf beim Verwalter der Immobilie ergibt, dass zur Zeit völlig offen ist, was mit dem Rest des Gebäudes geschieht.
Der Eigentümer, sagt Thomas Naumann von der halleschen Firma WHV, äußere sich im Moment überhaupt nicht zu seinen Plänen und wolle nach wie vor auch nicht persönlich in Erscheinung treten. Die Immobilie wechselte seit sich die Post von ihr trennte mehrfach den Eigentümer, seit einigen Jahren soll es ein Russe sein. Dass der Sanierungsbedarf des Hauses, in dem sich nach wie vor die Post befindet, hoch sein dürfte und mit der fest installierten historischen Technik im Obergeschoss ein weiterer Stolperstein im Weg liegt, ist offenkundig.
Kein Platz für Ausstellung
In weite Ferne gerückt scheint damit erst recht Heinz Thiemes Wunsch, dass sein Verein in der Hauptpost einmal ein Museum einrichten kann. Zum 125. Jubiläum im vergangenen Jahr - andere nennen auch 1893 als Eröffnungstermin der Hauptpost - hätten sie eine kleine Ausstellung vorbereitet, aber leider keinen Schau-Platz anderswo in der Stadt dafür gefunden.
Die Wittenberger Hauptpost bleibt unterdessen ein Projekt Schneckenpost. Er hoffe, so Verwalter Naumann, dass die Angelegenheit „in diesem Jahr zum Abschluss kommt“. Ach ja? Aber er meinte nur das komplette Portal: Die dazugehörigen Treppenstufen sind nämlich nicht Teil des aktuellen Auftrags von Peter Hoffmann und seinen Kollegen.
(mz)
