Gedenken Gedenken: Oranienbaum erinnert an die Autorin Brigitte Reimann

ORanienbaum/MZ - Auf dem Weg zum Grab erzählt man sich vom posthumen Ritterschlag durch Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, ein paar Schritte von der Friedhofsmauer rätselt man darüber, ob der Schriftzug auf dem Stein denn ihrer Handschrift nachempfunden sei. Man macht sich so seine Gedanken um die Schriftstellerin Brigitte Reimann und trifft sich am Mittwochnachmittag zum Gedenken an sie auf dem Oranienbaumer Friedhof. 1992 ließ Reimanns Bruder Ulrich die Urne seiner Schwester von Burg nach Oranienbaum umsetzen. Nun sind es am 40. Todestag der Reimann - sie starb 1973 mit 39 Jahren - vor allem Menschen aus Burg, die sich versammelt haben.
Reinbern Erben, Kulturamtsleiter in Burg, der Geburtsstadt Brigitte Reimanns, hat ein Blumengebinde dabei und richtet als erster die Worte an die kleine Gruppe. Ein schmerzhaftes Jubiläum sei es, sagt er. „In Burg ist Brigitte Reimann präsent und ist es wiederum nicht“, konstatiert er. Da gebe es zwar das Brigitte-Reimann-Jahr, das am Donnerstagabend eröffnet wird. „Vielen ist sie aber auch in Erinnerung als ein Mensch, der nicht ganz einfach war“, sagt Erben. Schnell seien Urteile gefällt worden. Erben und das Dutzend Mitstreiter, das nach Oranienbaum gefahren ist, hat diese Vorurteile nicht. „Sie war ein aufrichtiger Mensch, der mit offenen Augen durchs Leben gegangen ist“, so Reinbern Erben. Ute Pott, Direktorin des Halberstädter Gleimhauses und im Literaturrat des Landes, wünscht sich, „dass Reimann mit ihrer Bedeutung für die Literaturgeschichte wahrgenommen wird“.
Den Mut in den Worten der Brigitte Reimann, die jetzt 80 Jahre alt wäre, bewundert auch das Ehepaar Schulz aus Oranienbaum. „Ich habe heute noch einmal ihre Bücher zur Hand genommen“, erzählt die Oranienbaumerin. Im Gegensatz zur Stadt und zum Landkreis, die niemanden zum Gedenken schickten, hat auch in Wittenberg an diesem Tag jemand an die Schriftstellerin gedacht. Reimanns jüngerer Bruder erzählt von einem Anruf in den Morgenstunden. „Haseloff hier“, habe sich jemand gemeldet. Der Ministerpräsident entschuldigte sich, nicht dabei sein zu können, obwohl er es sich fest vorgenommen hatte. „Er versprach aber, in einer freien Minute das Grab zu besuchen.“ Haseloffs Grüße reichte Ulrich Reimann in die Runde weiter und freute sich selbst, dass so viele gekommen waren. „Für mich ist es noch immer eine Überraschung, dass Brigitte nicht vergessen wurde, so wie viele andere“, findet ihr Bruder, der am gleichen Tag wie seine große Schwester Geburtstag hat und durchaus einräumt, der Achtjährigen damals eventuell die Feier vermasselt zu haben. „Sie hat mich zur Literatur gebracht, mich gelenkt, bei ihr bekam man immer etwas zu lesen“, erinnert Ulrich Reimann. Zwar habe er nicht die literarische Richtung eingeschlagen, aber die jüngere Schwester im Vier-Kinder-Haushalt entschied sich für ein Germanistik-Studium. Die Familie sei Brigitte Reimann immer wichtig gewesen, sagt ihr Bruder. „Aber für eine eigene Familie war sie untauglich.“
So stehen denn an ihrem Todestag neben dem Bruder nur Männer und Frauen am Grab, die Brigitte Reimann nicht kannten. Es sind Bewunderer, Verehrer, Männer und Frauen, denen die Bücher von Brigitte Reimann wichtig waren und sind. Auch darüber wird am Nachmittag noch weiter gesprochen. Im „Goldenen Fasan“ wärmt man sich beim Kaffee, bevor die Burger wieder in den Norden fahren, um dort am Donnerstag erneut an Brigitte Reimann zu erinnern.