Gastspiel Gastspiel : Millöckers Operette "Der Bettelstudent" begeistert im Phönix-Theater

Wittenberg - Vor einem Jahr fragte der Kritiker anlässlich einer Aufführung von „Im Weißen Rössl: „Warum nicht öfter mal eine Operette in der Phönix Theaterwelt?“
Und siehe da, nach Jahresfrist wurde dieser Publikumswunsch erfüllt: Das Nordharzer Städtebund Theater – dieser seit der Wende funktionierende Zusammenschluss der Theater Halberstadt und Quedlinburg – gastierte hier mit Carl Millöckers unsterblichem „Bettelstudent“.
Das nur zu zwei Dritteln besetzte Phönix-Theater war offenbar den hohen Eintrittspreisen geschuldet. Aber das anwesende Publikum war zufrieden und applaudierte dankbar. Wenn man von der klassischen Wiener Operette spricht, meint man immer die „Fledermaus“ von Johann Strauß und „Boccaccio“ von Franz von Suppé, auf jeden Fall aber auch den „Bettelstudent“ von Carl Millöcker.
Dieser, der Sohn eines Goldschmieds, geboren 1842 in Wien, studierte am Wiener Konservatorium und war bereits mit 16 Jahren Flötist im Theater in der Josefstadt. Nach mehreren Engagements als Kapellmeister in Graz, Wien und Budapest wirkte er 1867 bis 1882 am Theater in Wien, wo er dirigierte und Lieder, Einlagen und Ballette für Possen und Lustspiele komponierte.
1882 errang er endlich mit dem „Bettelstudent“ einen großen Triumph, der ihm fortan ein freischaffendes Leben als Komponist ermöglichte.
Rache nach Ohrfeige
1704 setzt die Geschichte ein: Kurfürst August der Starke von Sachsen hat die polnische Königskrone errungen, und Krakau ist von sächsischen Truppen besetzt. Die Fabel beginnt mit einer Ohrfeige: die polnische Komtesse Laura versetzt dem sächsischen Oberst Ollendorf ob seiner Zudringlichkeit einen Schlag ins Gesicht: „Ach, ich hab’ sie ja nur auf die Schulter geküsst“ singt dieser.
Seine Rache an Laura bestimmt den weiteren Verlauf der Operette: Ihr einen Bettelstudenten als vermeintlichen „Fürst Wibicki“ unterzujubeln, ist sein Plan – der letztendlich nicht aufgeht, weil die Liebe über Intrigen siegt und ganz nebenbei Krakau von den Sachsen befreit wird.
Temporeich und witzig
Dies alles wurde vom Halberstädter Ensemble temporeich und witzig präsentiert. Der präzise singende neunköpfige Damenchor und der sächselnde Norbert Zilz als Gefängniswärter Enterich eröffneten komödiantisch das Stück. Sängerische Entdeckung bot das „Hauptpaar“: Bettina Pierags als Laura mit klangschönem, natürlich fließendem Sopran und als Bettelstudent Tobias Amadeus Schöner mit heller, kräftiger, fast heldisch auftrumpfender Tenorstimme.
Emotional-berührender Höhepunkt war das Duett der Beiden „Soll ich reden, soll ich schweigen“: stimmlicher Wohllaut vereinte sich mit Natürlichkeit der Darstellung. Ebenso überzeugte das „zweite Paar“: die Soubrette Bénédicte Hilbert als Bronislawa und der Spieltenor Michael Rapke als Jan.
Eine Aufführung des „Bettelstudent“ steht und fällt mit der Besetzung des Oberst Ollendorf. Hier bot Klaus-Uwe Rein starke Bühnenpräsenz, stimmliche Kraft und sympathische Nähe zum Publikum.
Überhaupt war die Aufführung wieder einmal ein Beispiel dafür, dass wirkliches Ernst-Nehmen diesen Stücken guttut. Es war eine wirkliche Inszenierung, ohne unnötige Verfremdungen. Die stilisierte Ausstattung verlegte die Zeit der Handlung offenbar ins 19. Jahrhundert, was der Operette nicht schadete. Die unkomplizierten, raschen Umbauten trugen zum Spieltempo bei.
Musikalisch delikat begleitete das Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters unter dem umsichtigen Dirigat von Florian Kießling, der auch rhythmische „Verschiebungen“ zwischen Bühne und Graben geschickt ausbügelte.
Danke für diesen kurzweiligen Operettenabend zur Vorweihnachtszeit! Man darf gespannt sein auf „Frau Luna“ des gleichen Ensembles im Februar.
(mz)
