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Gastronomie  Gastronomie : Königlicher Geschmack mit Wittenberger Apfelkuchen

Von Matthias Tietke 17.06.2016, 17:40
Anka Soboll vom neu eröffneten Café „Vlora“ in der Pfaffengasse mit einem gedeckten Apfelkuchen. In Kürze soll es hier wie im Café „Culinela“ den königlich gepriesenen Wittenberger Apfelkuchen geben.
Anka Soboll vom neu eröffneten Café „Vlora“ in der Pfaffengasse mit einem gedeckten Apfelkuchen. In Kürze soll es hier wie im Café „Culinela“ den königlich gepriesenen Wittenberger Apfelkuchen geben. Baumbach

Wittenberg - Noch ist nicht alles perfekt. Aber Wittenberg ist wieder auf dem Weg, als Apfelkuchenstadt von sich Reden zu machen. Was ausnahmsweise mal nicht mit Luther zu tun hat, auch wenn von ihm ein sehr berühmtes Apfelbaum-Zitat stammen soll. „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen“, wird dem Reformator zugeschrieben. Nein, diesmal geht es um den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. und den Dichter Theodor Fontane und deren Liebe zu Wittenbergs Apfelkuchen. Ein geschichtlicher Exkurs sei erlaubt:

Als 1841 die Berlin-Anhaltische Bahn eröffnet wurde, entstand in der westlichen Schlossvorstadt das immer noch erhaltene, aber seit vielen Jahren ungenutzte Bahnhofsgebäude. Dieser denkmalgeschützte Fachwerkbau zählt zu den ältesten Bahnhofsbauten in Deutschland, manche halten es für das älteste Bahnhofsgebäude Deutschlands überhaupt.

Die Straße an der Rückseite des Bahnhofsgebäudes heißt nun bezeichnenderweise „Am Alten Bahnhof“. Vor der Wende war es die Dr.-Kurt-Fischer-Straße und ursprünglich die Tauentzienstraße.

Mitte des 19. Jahrhunderts wirkte im Alten Bahnhof der Gastronom C. H. Lantzsch, der zudem den Gasthof „Zur Stadt London“ in der Pfaffengasse führte und deshalb auch „London-Lantzsch“ genannt wurde. Damit konnte man ihn unterscheiden von dem Gastronomen gleichen Namens, der zu jener Zeit den Gasthof „Schwarzer Bär“ betrieb.

Doch London-Lantzsch gab sich mit dem Gasthof „Zur Stadt London“ und der Bahnhofswirtschaft im Empfangsgebäude, wo es unter anderem Apfelkuchen gab, nicht zufrieden. Er ließ auf dem Bahnhofsgelände zudem ein Gewächshaus, eine Kegelbahn, einen Pferdestall und einen Garten-Salon bauen. Auf einem Steindruck von 1853 ist er auf dem Marktplatz zu sehen. Ein korpulenter Mann mit Zylinder, Frack und weißen Hosen, der seinen Hund ausführt.

Anfangs kamen zum Alten Bahnhof mit dem preußischen Hoflieferanten-Wappen vor allem Schaulustige, die aber auch das Restaurant aufsuchten. Im Jahr 1845 verkehrten bereits vier Züge pro Tag. Friedrich Wilhelm IV. ließ sich hier den Apfelkuchen schmecken und auch der alte Kaiser ließ sich gelegentlich ein Paket mit Wittenberger Apfelkuchen in den Zug reichen.

So kam Herr Lantzsch zum Titel „Hof-Traiteur“. Der in seinem Restaurant angebotene Apfelkuchen erlangte Berühmtheit weit über die Stadtgrenzen hinaus und so setzte ihm der Dichter Theodor Fontane gleich zwei Mal ein literarisches Denkmal.

In dem Gedicht „Hubert in Hof“, in dem der Maler Hubert anlässlich des zweiten Weihnachtsfeiertags 1887 begrüßt wird, heißt es: „Einsteigen erklingt das süße Wort, Und wieder norderwärts geht es fort, Lokomotive, tapfrer Held, Schlägt sich durch bis Bitterfeld. In Wittenberg, wie Sirenengesang, Apfelkuchen klingt es den Bahnsteig entlang.“

Und in dem elf Jahre später veröffentlichten Roman „Stechlin“, Fontanes letztem Roman, kann man folgendes lesen: „Bringe den Vätern, respektive Schwiegervätern allerschönste Grüße. Die Kinder sind jetzt mutmaßlich schon über Wittenberg, die große Luther- bzw. Apfelkuchenstation hinaus.“

Diesen literarischen respektive geschichtlichen Hinweis aufgreifend, wurden 2015 zur Erlebnisnacht passend zu der im Großen Saal des Alten Rathaus vorgetragenen Geschichte vom Alten Bahnhof und dem einst dort angebotenen Apfelkuchen, der auch dem preußischen König schmeckte, 140 Stück Apfelkuchen verkauft. Die jeweiligen Rezepte gab es gleich dazu.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten suchte man den einst von Theodor Fontane gepriesenen Wittenberger Apfelkuchen in den Cafés und im Bahnhof der einstigen „Apfelkuchenstation“ vergebens. Doch nun gibt es einen Lichtblick. Künftig wollen das Café „Culinela“ in der Mittelstraße und das jüngst eröffnete Café „Vlora“ in der Pfaffengasse wieder Wittenberger Apfelkuchen anbieten und die Geschichte zum Kuchen gleich mitliefern. Alles ist schon in die Wege geleitet, es fehle nur noch das historisch verbürgte Rezept.

„Ich bin schon sehr gespannt, welche Zutaten darin auftauchen“, sagt Anka Soboll, Inhaberin des neuen Cafés „Vlora“. Das historische Apfelkuchenrezept will sie in die Neuzeit holen und als vegane Variante anbieten, denn sie hält im Café veganes Essen bereit. „Ich würde dann etwa statt Butter ein pflanzliches Fett verwenden, statt Kuh- Pflanzenmilch und eventuell vorhandene Eier durch Eiersatz austauschen“, erklärt die Inhaberin. Ihr derzeitiges Speisenangebot werde der historische Apfelkuchen perfekt ergänzen, ist sich die Inhaberin sicher. „Viele Gäste, die hierher kommen, wollen nicht nur etwas essen und trinken, sondern auch ein wenig unterhalten werden. Die Geschichte vom Apfelkuchenrezept ist doch spannend.“ (mz)