Fachvortrag zu Schmerzen Fachvortrag zu Schmerzen: Ziel ist ein erträgliches Maß

Wittenberg - „Schmerztherapie ist kein Wundermittel“, sagte Daniel Imiolczyk. Der Facharzt für Neurologie an der Alexianer-Klinik Bosse in Wittenberg weiß, wovon er spricht. Hat sich ein Schmerz erst einmal im Körper verfestigt, geht es meist nur noch darum, ihn ähnlich wie einen permanenten lauten Schrei auf ein erträgliches Maß zu reduzieren beziehungsweise ihn zeitweise zum Verstummen zu bringen.
Neues Konzept
Am Mittwoch stellte Imiolczyk in einem Fachvortrag aus der Reihe „Medizin und Musik“ in der Bosse-Klinik das Konzept der multimodalen Schmerztherapie vor, die in absehbarer Zeit hier Einzug halten wird. Dabei handelt es sich um einen neuen Ansatz, der seit einigen Jahren intensiv verfolgt wird. Chronischer Schmerz ist für Betroffene der Horror, in Deutschland leiden laut Deutscher Schmerzgesellschaft etwa 13 Millionen Menschen daran.
Als Patient haben viele eine Odyssee durch Arztpraxen hinter sich, privat leidet durch eingeschränkte Mobilität und depressive Stimmungen oft das Familienleben.
In Frage kommt die multimodale Schmerztherapie für Menschen, deren Lebensqualität und/ oder Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sind, die bereits andere fehlgeschlagene Schmerztherapien hinter sich haben, bei denen eine Abhängigkeit oder der Fehlgebrauch von Medikamenten vorliegt sowie gravierende somatische Begleiterkrankungen diagnostiziert wurden.
Der Antrag auf Einrichtung einer stationären Schmerztherapie sei beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen gestellt, so Daniel Imiolczyk. Bereits im kommenden Monat, so der Facharzt für Neurologie, könnten an der Alexianer-Klinik Bosse in Wittenberg vier Betten eingerichtet werden. Patienten müssten sich die Therapie in der Regel von den Krankenkassen genehmigen lassen. Die Möglichkeit einer ambulanten Schmerztherapie gibt es derzeit in Wittenberg nicht. Betroffene können an das Städtische Klinikum Dessau, das Johanniter-Krankenhaus Treuenbrietzen oder in größere Städte wie Potsdam oder Leipzig überwiesen werden.
Kern der neuen Therapieform, so der Facharzt, ist eine ausführliche Aufnahme der Krankengeschichte sowie das Ausfüllen eines Schmerzfragebogens, der genau den Ort und die Intensität des Schmerzes sowie andere Faktoren erfasst. Dem folgt eine interdisziplinäre Behandlung mit einem konkreten Behandlungsplan, die auch Physio-, Ergo- oder andere Therapieformen beinhalten.
Wichtig sei, dass der Patient aktiv mitarbeite, betonte Imiolczyk. Nur so könne das Schmerzempfinden reduziert, an Möglichkeiten zur besseren Bewegung gearbeitet und eventuell eine notwendige Veränderung des Arbeitsplatzes besprochen werden.
Die etwa 35 Zuhörer am Mittwoch, eingeladen waren Betroffene und Angehörige, hatten reichlich Fragen. So gebe es noch keine Statistiken über den Erfolg, da diese Therapieform erst seit drei bis vier Jahren aktiv eingesetzt werde. „Wie kommt man an so eine Therapie?“, war eine der ersten Fragen. „Oft liegen alle Unterlagen beim Hausarzt“, erklärte Daniel Imiolczyk. „Gut wäre es, wenn der Patient vor einer stationären Aufnahme bereits bei einer ambulanten Schmerztherapie war.“ Diese gibt es jedoch in Wittenberg bisher nicht.
Ob es von Hausärzten nicht fahrlässig sei, einfach Schmerzmedikamente zu verschreiben, fragte jemand. Natürlich sei der Hausarzt bei akutem Schmerz zumeist erste Anlaufstelle, dabei würden Schmerzmittel verschrieben, so der Neurologe. Schwieriger sei es, wenn der Patient von Arzt zu Arzt gehe und überall andere Mittel verschrieben bekomme, die nicht abgestimmt seien. Zudem seien Schmerzmittel im akuten Fall durchaus wichtig, Dauerschmerz hingegen müsse auch mit Psychotherapie und Bewegung entgegengewirkt werden.
Keine Angst vor Zulauf
Dass in der Bosse-Klinik eine stationäre Schmerz-Therapie etabliert werden soll, brachte einen Zuhörer zu der Frage: „Haben Sie keine Angst, dass man Ihnen hier die Bude einrennen wird?“ „Warum sollen wir Angst haben? Wir wollen es ja. Bei vier Betten könnten wir im Durchschnitt sechs bis acht Patienten im Monat behandeln“, rechnete Imiolczyk den Anwesenden vor. Trotz einer Wartezeit sei das für jemanden, der Jahre des Leidens hinter sich habe, eine akzeptable Aussicht.
Eingeleitet wurde der Vortrag, wie der Name der Reihe schon sagt, durch Musik. Es gab Klassik der feinen Art, wie sie sonst in großen Konzertsälen zu hören ist. Uwe Städter (Oboe und Englisch Horn) und Ulrike Wagner (Violoncello) der Anhaltischen Philharmonie Dessau brachten Stücke von Wolfgang Amadeus Mozart und Giuseppe Ferlendis zu Gehör. Es war eine wunderbare halbe Stunde, die die Zuhörer ganz zu sich selbst brachte. (mz)