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Dorfleben in Sachsen-Anhalt Evelin Erdmann: So blickt die 78-Jährige auf ihre Zeit als Ortsbürgermeisterin von Radis zurück

Evelin Erdmann ist für die langjährige Tätigkeit und unermüdlichen Einsatz für ihren Heimatort Radis geehrt worden. Die MZ spricht mit der scheidenden Ortsbürgermeisterin über ihr Wirken.

27.06.2024, 14:00
Die langjährige Ortsbürgermeisterin von Radis, Evelin Erdmann (erste Reihe, Mitte),  ist am Montag von Radiser Vereinen und Privatpersonen mit einer Überraschungsfeier  im Dorfgemeinschaftshaus verabschiedet worden.
Die langjährige Ortsbürgermeisterin von Radis, Evelin Erdmann (erste Reihe, Mitte), ist am Montag von Radiser Vereinen und Privatpersonen mit einer Überraschungsfeier im Dorfgemeinschaftshaus verabschiedet worden. (Foto: Th. Klitzsch)

Radis/MZ. - Eine Frau, die sich stark für die Belange des Ortes Radis eingesetzt hat, viele Projekte, wie die Ausstellung „Über den Ort hinaus“, die Feier zum 250. Geburtstag von Wilhelm Traugott Krug sowie die Gestaltung des Pabsthauswegs initiierte, ist am Montag als Ortsbürgermeisterin feierlich verabschiedet worden: Evelin Erdmann.

Ihr Herz schlägt für Kembergs Ortsteil Radis. Und auch, wenn die 78-jährige Frau in diesen Tagen ihr Amt niederlegt, wird sie weiterhin dazu beitragen, das etwa 1.110-Einwohner-Dorf lebenswert zu gestalten. Über ihr Leben sowie ihr politisches Engagement führte Paul Damm ein Gespräch mit ihr.

Wir sitzen hier im Schatten der Bäume auf dem Gutshof. Ist das ein Lieblingsplatz von Ihnen?

Evelin Erdmann: Der Gutshof ist, so wie er jetzt ist, mein Lieblingsplatz. Die ganzen Jahre über habe ich darauf hingearbeitet, dass das ein Platz wird, der dem Ort gerecht wird. Damals war der Gutshof verwahrlost. Die Gebäude waren baufällig. Es wurde einfach nichts getan – und das wollte ich in irgendeiner Form ändern. Und jetzt ist es wirklich schön geworden. Mit dem Dorfgemeinschaftshaus und den Vereinen, die sich auf dem Hof angesiedelt haben, ist dieser zentrale Platz wieder mit viel Leben erfüllt.

Ein kleiner Zeitsprung: Wie begann ihre politische Laufbahn?

Es war damals der allgemeine, große Aufbruch. Und hier im Ort kenne ich mich aus. Hier bin ich geboren, aufgewachsen, habe eine Familie gegründet und als Lehrerin gearbeitet. Weil ich für den Ort etwas tun wollte, dass er ein besseres Aussehen bekommt und manche Schandflecke beseitigt werden können, habe ich als Bürgermeisterin kandidiert. Später bin ich als Leiterin der Verwaltungsgemeinschaft Bergwitz ernannt worden und musste den Bürgermeisterposten aufgeben. Als mein Nachfolger altersbedingt aufhörte, bin ich erneut gefragt worden. Ich habe mich breitschlagen lassen – und dachte: „Zwei bis drei Jahre kann ich’s machen.“ Nun ist es 2024 und ich bin seit 2008 im Amt.

Was konnten in diesen Jahren unter ihrer „Führung“ für den Ort unternommen werden?

Als Erstes hat Radis den Abwasseranschluss bekommen. Dann haben wir über Dorferneuerung und ländlichen Wegebau fast alle Straßen im Ort sanieren können. Auch das Dorfgemeinschaftshaus haben wir einrichten können und für unsere Vereine „Turn- und Sportverein Radis“, den „Heimatverein“ und den „Angelverein“ haben wir geeignete Domizile im Ort finden können. Darüber hinaus war ich Meister im Abreißen von nicht genutzten Immobilien in Radis. Dazu gehörte unter anderem die große polytechnische Oberschule, für die sich nach der Schließung keine sinnvolle Nachnutzung fand. Auch das polytechnische Kabinett im Park ist abgerissen worden sowie der Konsum auf dem Anger. Somit sind „Fremdkörper“ aus dem Ort nach und nach entfernt worden.

War nach der Eingemeindung von Radis zur Stadt Kemberg Hartnäckigkeit gefragt, um weiterhin die Angelegenheiten für Radis durchsetzen zu können?

Damals, als wir vieles noch selbst entscheiden konnten, war das nur im Einverständnis der Gemeinderäte möglich. Das war eine sehr gute Zusammenarbeit. Wir haben konstruktiv miteinander und nicht gegeneinander gearbeitet. Auch nach der Eingemeindung ist vieles, was wir angedacht haben, im Einvernehmen – mit den Möglichkeiten der Stadt Kemberg – umgesetzt worden. Dazu gehört ein Teilstück vom Gutshof, als neuestes Objekt der Spielplatz, für den sich die Elterninitiative sehr eingesetzt hat. Und auch die Dauerausstellung „Über den Ort hinaus“ auf dem Gutshof gehört mit dazu.

Haben Sie jemals bereut, diesen Posten angenommen zu haben?

Nein. Wenn man sich entschließt, sowas zu machen, dann muss man es ganz oder gar nicht machen. In den ersten Jahren war zum Nachdenken überhaupt keine Möglichkeit. Die Neuheit von allem (Wende) war erstmal zu bewältigen. Das hat sehr viel Arbeit und Kraft gekostet. Während andere die gewonnene Freiheit nutzten und die ganze Welt bereisten, habe ich aufgrund der vielen Arbeit zurückstecken müssen. Ich habe mich hier nie als die herausragende Person gesehen. Vieles ist in der Gemeinschaft entstanden – und ich denke, darauf können wir alle stolz sein.

Werden Sie nun in Ihrem Ruhestand die Füße stillhalten oder weiterhin im Ort mitmischen?

Nee! Die Füße werde ich mit Sicherheit nicht still halten. Ich bin im Heimatverein tätig und es gibt noch viele Dinge, die das Schloss und die Investoren angeht, um die ich mich auch weiterhin kümmern werde. Sicherlich habe ich ein bisschen mehr Freizeit gewonnen – und zu Hause gibt es auch das ein oder andere aufzuarbeiten. Da gehört der Garten dazu oder meine Tiere. Dafür ist nun mehr Zeit.

Am Montagabend gab es von Anwohnern, Vereinen und Mitarbeitern der Stadt Kemberg eine Überraschungsparty in Radis. Haben Sie damit gerechnet?

Ich hatte das in keinster Weise erwartet und war sehr erstaunt über die Ehre, die mir zuteil wurde. Ich hatte die Verabschiedung in der letzten Ortschaftsratssitzung als völlig genügend empfunden und war überrascht, dass unsere Vereine die Feier organisiert hatten.

Wie steht es in diesen Tagen um einen Nachfolger für Ihr Amt ?

Wir bekommen bald einen sehr verjüngten und tatendranghaltigen Ortschaftsrat. Ich bin also zuversichtlich, dass das Radis gut tun wird und mit den jungen Leuten auch frische Ideen hereingetragen werden, um Radis weiterhin nach vorn zu bringen. Auch einen Anwärter auf den Posten des Ortsbürgermeisters hat sich gefunden.