Elberadweg Elberadweg: Stadt, Kirche, Fluss

Apollensdorf - Die Sonne hat ihren Zenit noch nicht erreicht. Dennoch tangieren die Temperaturen bereits am Vormittag die 30-Grad-Marke.
Der Elberadweg beginnt in Spindleruv Mlyn (Tschechien). Ausgangspunkt ist die Elbquelle im Riesengebirge. In Melnik, am Zusammenfluss von Moldau und Elbe, vereinigt er sich mit dem aus Prag kommenden Abschnitt entlang der Moldau. Weiter geht es nordwärts in Richtung deutsche Grenze. Nach ca. 360 Kilometern verlässt der Elberadweg Tschechien und durchläuft auf deutscher Seite das reizvolle Elbsandsteingebirge. Weitere Stationen sind Dresden, das Weinanbaugebiet um Meißen, die Städte Torgau, Wittenberg, Dessau, Magdeburg, Havelberg, Hitzacker, Hamburg, ehe nach 1 220 Kilometern das Ziel, die Elbemündung von Cuxhaven, erreicht ist. 2014 wurde der Elberadweg vom ADFC (Allgemeiner Deutscher Radfahrerclub) zum 10. Mal zum beliebtesten Fernradweg Deutschlands gewählt. Täglich passieren in der Saison 300 bis 400 Radtouristen aus dem In- und Ausland Wittenberg und nutzen die guten Übernachtungsmöglichkeiten entlang des Weges.
Der Elberadweg, Deutschland beliebtester Fernradweg, wird auch in diesem Sommer wieder zur Hauptverkehrsader für Radtouristen. Soeben steuert ein Radlertrio mit reichlich Gepäck versehen die kleine Dorfkirche von Apollensdorf an. Der Hinweis „verlässlich geöffnete Kirche“ wirkt wie eine Einladung. Ein wenig Abkühlung in den dicken Kirchengemäuern und vielleicht auch ein stilles Gebet verspricht der Aufenthalt für die drei Nürnberger Petra Zopf, Brigitte Heyduck und Eberhard Grabow. Letzterer outet sich als 81-Jähriger, was man dem drahtigen Mann kaum glauben mag.
Faible für Flusswanderwege
In Königstein gestartet, soll die diesjährige Tour bis Magdeburg führen. „Wir haben ein Faible für Flusswanderwege. Donau, Nahe und Main haben wir bereits erkundet“, verrät Grabow und ergänzt: „Die Elbelandschaft ist einfach wunderbar. Hinzu kommen die netten und hilfsbereiten Menschen, die uns hier im Osten überall begegnet sind.“ Dieses Kompliment hört auch ein MZ-Reporter gern. Einziger Wermutstropfen: Bei der Ankunft am Montag gegen 18 Uhr waren bereits alle Wittenberger Kirchen geschlossen.
Trinken gegen die Hitze
Auf die Frage, wie man solche Hitzeetappen wie kürzlich am Wochenende meistert, gibt es eine einfache, plausible Antwort: „Trinken, immer wieder trinken, drei bis vier Liter am Tag, und die frühen Morgenstunden für die Fahrt nutzen.“ Neugierig geworden, wer denn hier so alles eine Kurzvisite macht, blättert man im Gästebuch und ist erstaunt über die Vielfalt der Besucher. Da sind Antje und Detlev aus Varel (Friesland), die bemerken: „Auf unseren Fahrradtour sind wir stets dankbar für kleine offene Kirchen, die Orte der Besinnung sind.“ Weit gereist sind Ursula und Leslie aus den USA. Ihr Lob liest sich so: „Beautiful little chapel.“ - „Thank you for opening your church“, heißt es bei Kathleen und David aus Sheffield (England), „Gott segne Euch in dieser Kirche“, schreiben Jenny und Henk van Steg aus Olst (Niederlande). „Ein wunderbarer Ort zum Entdecken, Verweilen, Erinnern und Innehalten“, bringen es Barbara und Johannes aus Dresden auf den Punkt.
Kirchen werden von Radtouristen positiv aufgenommen
Für Pfarrer i. R. Dieter Besser, der neben der Kirche wohnt und die Öffnung mit einigen Gemeindemitgliedern organisiert, bedeutet dies eine Bestätigung, dass geöffnete Kirchen durchaus in unsere Zeit passen und von den Besuchern und Radtouristen als positiv beurteilt werden. Gegenwärtig gibt es in Apollensdorf eine Ausstellung zu Flämingkirchen vom Verein Mitteldeutsche Kirchenstraße bis Mitte September zu sehen. Auch dies ein Grund, mal ein Viertelstündchen hier zu verweilen. Wer sind sie, die hier Halt machen?
Der Mensch braucht Ruhepunkte
Sie heißen Joachim und Gisela aus Mühlheim (Ruhr) oder Karin und Christian aus Freiberg oder die drei Hamburger Deerns auf ihrem Weg von Dresden in ihre Heimatstadt. Etwas, was alle vereint - das hört sich so an und darf als Anerkennung verstanden werden: „Der kleine Zwischenstopp in Apollensdorf hat uns Kraft gegeben. Der Mensch braucht solche Ruhepunkte. Danke denen, die das ermöglichen.“
Unterdessen hat sich das Nürnberger Trio verabschiedet und rollt über Coswig, Wörlitz dem Etappenziel Dessau entgegen. Vielleicht sind sie auch zu beneiden, denn sie dürfen die wunderbare Erfahrung des entschleunigten Reisens auf zwei Rädern, mit Muskelkraft betrieben, genießen. (mz)