Einzelhandel um Bad Schmiedeberg Einzelhandel um Bad Schmiedeberg: Entscheidung mit Zündstoff

Bad Schmiedeberg - In Pretzsch ist die Aufregung groß. Sagt Dorothea Illig. Sie hat gerade bei „Kiesel“ Einkäufe erledigt und fragt: „Wie stellen die sich das denn nur vor?“ Die Leute kämen auch aus umliegenden Ortschaften hierher für ihre Besorgungen. Der Einkaufsmarkt sei überdies ein Treffpunkt: „Hier springen alle an die Decke“, fügt sie hinzu.
Grund für die Sorge ist - unter anderem - ein Ratsbeschluss, der wenige Tage zuvor im wenige Kilometer entfernten Bad Schmiedeberg gefallen ist. Haarscharf ging dort eine Abstimmung aus - betreffend die „Abwägung für den Bebauungsplan Edeka-Vollsortimenter für Lebensmittel“. Zehn Ja-Stimmen, acht mal Nein, zwei Enthaltungen. Was relativ unspektakulär klingt, birgt erheblichen Zündstoff. Die keineswegs unberechtigte Befürchtung lautet: Wenn in Bad Schmiedeberg ein großer Edeka-Markt errichtet wird, könnten die Tage für den in Pretzsch ansässigen Edeka Aktiv-Markt gezählt sein. Das wäre ein weiterer Schlag für die einstige Stadt, die diesen Status verloren hat - zudem das Gymnasium, den Drogeriemarkt, die Apotheke, den Penny...
Ältere bleiben auf der Strecke
Die Ortsbürgermeisterin von Pretzsch, Diana Skowronek, hat im Bad Schmiedeberger Rat eindringlich gewarnt: „Die ältere Bevölkerung wird auf der Strecke bleiben.“ Jene, die nicht mobil sind, sich nicht einfach ins Auto setzen und zum nächsten Einkaufsmarkt fahren können. Skowronek: „Pretzsch ist die Bildung genommen worden, der ÖPNV, jetzt kommt noch die Versorgung hinzu.“ In die Kerbe haut auch Eckhard Reiche (Freie Wähler): „Die Bevölkerung schrumpft, das wird weitergehen. Der für Bad Schmiedeberg geplante Markt ist zu groß und Pretzsch abgeschnitten von Gott und der Welt.“ Christian Gramzow (CDU) mahnt ebenfalls, die Sorgen der Pretzscher Bevölkerung und die in der Abwägung vorgebrachten Bedenken ernst zu nehmen. In Bad Schmiedeberg, sagt Gramzow, sei die Versorgung der Bevölkerung „mehr als ausreichend“. Es wäre besser gewesen, „wir hätten uns mehr und gründlichere Gedanken gemacht bei der ersten Behandlung des Themas“.
Der Grundsatzbeschluss nämlich, der ist schon vor geraumer Zeit gefasst worden - jetzt ging es wie erwähnt um die Abwägung für den Bebauungsplan, nach der öffentlichen Auslegung des Entwurfs und den Reaktionen darauf, von Bürgern, Behörden und anderen. Darauf verweist der Bürgermeister. „Das Thema ist schon lange in der Diskussion und ordentlich vorbereitet.“ Die Anfragen seien bearbeitet und bewertet, Kritikpunkte eingearbeitet, so Stefan Dammhayn (CDU), der nicht zuletzt auf den immensen (auch finanziellen) bislang betriebenen Aufwand aufmerksam macht.
Die Investition hat selbstredend auch ihre Fürsprecher. Deddo Lehmann zum Beispiel. Der zusätzliche Markt, so der CDU-Stadtrat, bringe sicher mehr Wettbewerb: „Den entscheiden wir aber nicht.“ Lehmann spricht von attraktiveren Lebensbedingungen. Und davon, dass es mit einem Edeka-Vollsortimenter gelingen könne, „jene zurückzuholen, die nicht mehr hier einkaufen“, die nach Kemberg oder Bad Düben fahren. Fritz Sierig (Linke) erwähnt die „vielen Bürger, die fragen, wann der Edeka endlich kommt“. Er sagt auch: „Wenn uns einer eine Garantie gibt, dass der Edeka-Markt in Pretzsch bleibt, sollte Bad Schmiedeberg nicht kommen, dann stimme ich dagegen.“ Ähnlich argumentiert Harry Pfeifer (CDU): „Welche Alternative haben wir denn?“ Der Markt in Trebitz sei schon geschlossen, der in Pretzsch stehe zur Disposition. Würde, so der Stadtrat, eine Bürgerbefragung durchgeführt, würden bestimmt 70 Prozent für den neuen Einkaufsmarkt stimmen: „Vielfalt belebt das Geschäft.“
Geschäftesterben seit langem
Bedenken gegen die Ansiedlung bestehen indes nicht allein wegen der Gefährdung für Pretzsch, sondern auch hinsichtlich des Einzelhandels in Bad Schmiedeberg, der ohnehin seit langem schwere Zeiten erlebt. Dafür allerdings die großen Märkte verantwortlich zu machen, gehe an der Realität vorbei, befindet Petra Deichsel (SPD): „Das Geschäftesterben hat schon vor langer Zeit begonnen. Uns ist es nicht gelungen, dem entgegen zu wirken.“ Ihr tue weh, die Innenstadt so leer zu sehen. „Aber an den Märkten liegt das nicht. Die Leute bestellen im Internet oder fahren in andere Städte. Sie haben mit den Füßen abgestimmt.“
Abgestimmt haben auch die Schmiedeberger Stadträte - knapp für den „Vollsortimenter“. Dorothea Illig macht das sauer. Sauer ist sie insbesondere über die Abgeordneten der Linken, die pro Markt votierten. Sie selbst hat ein Parteibuch der Linken. Nicht mehr lange: „Das gebe ich zurück.“ (mz)