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Ein Kastanienbaum zieht um

Von Ute Otto 15.05.2008, 18:44

Wittenberg/MZ. - "Die könnten mal zu mir in den Garten kommen", kommentierte daher ziemlich beeindruckt ein Passant das Geschehen am Donnerstag am Wittenberger Hauptbahnhof. In weniger als einer Stunde hat dort die zehn Meter hohe rot blühende Kastanie vom Bahnhofsvorplatz ihren Standort gewechselt. Jetzt steht sie kaum 100 Meter entfernt auf der Grünanlage, dort wo die Straße am Hauptbahnhof Richtung Krankenhaus abbiegt.

Optima 3000 heißt die "Wunderwaffe". Quasi mit einem Biss gräbt die Rundspatenmaschine das Pflanzloch im Durchmesser der Baumkrone. Mit einem zweiten fasst sie den Baum unter dem Wurzelballen mit genügend Erde und setzt ihn fast bündig zur Oberfläche in das neue Pflanzloch ein. Mit dem Spezialgerät können Bäume bis zu einem Stammumfang von 150 Zentimetern verpflanzt werden und laut der Dienstleistungsfirma beträgt die Anwachs-Quote in diesem Verfahren 98 Prozent.

Die Wittenberger Kastanie hat 78 Zentimeter Stammdurchmesser. "Ab 80 Zentimeter fällt sie unter die Baumschutzsatzung", so Götz Kleeblatt, Hauptsachbearbeiter für öffentliches Grün in der Stadtverwaltung. Will heißen, das Entfernen eines gesunden Baumes ist dann so einfach nicht mehr möglich. Aber "so einfach" hat es sich die Stadt dann doch nicht gemacht, um mit dem Versetzen der Kastanie Baufreiheit zu schaffen für den Aufbau des neuen Zeltdachs. In dessen Zentrum steht anstelle des Baumes künftig eine stählerne Pylone, die dann die Dachhaut straffer spannen soll als zuvor. 3 000 Euro kostet laut Kleeblatt der Einsatz der aus Bayern georderten Optima 3000. "Der Baum ist jetzt etwa 10 000 Euro wert." Gekauft wurde die Kastanie seinerzeit für 7 000 D-Mark. "Wir haben uns schon von Anfang an Gedanken darüber gemacht, wie wir den Baum erhalten können", versicherte der Landschaftsplaner. Doch sei das Umsetzen im Herbst nicht möglich gewesen, "weil dann der Bereich den ganzen Winter über hätte abgesperrt werden müssen". Und der jetzige Zeitpunkt sei weniger "gefährlich" als das zeitige Frühjahr, wo der Baum anfängt zu knospen. "Dann ist der Druck des Saftes in Stamm und Ästen sehr groß und bei Verletzungen kann es dazu kommen, dass er der Baum ausblutet", erklärte Kleeblatt.