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Ede Geyer zur Lesung in Wittenberg Ede Geyer zur Lesung in Wittenberg: Trainerlegende öffnet Erinnerungskiste

Von Rainer Schultz 20.04.2016, 17:05
Nach der Buchlesung im April  stattet Eduard Geyer mit seiner Frau Angelika der Lutherstadt im  Januar 2017 den nächsten Besuch ab.
Nach der Buchlesung im April  stattet Eduard Geyer mit seiner Frau Angelika der Lutherstadt im  Januar 2017 den nächsten Besuch ab. Thomas Klitzsch

Wittenberg - „Meine Frau war die einzige, die mir widersprechen durfte“, sagt rückblickend Eduard Geyer (71), letzter Trainer der DDR-Fußballnationalmannschaft von 1989 bis 1990. Als er wie so viele seiner in der Öffentlichkeit stehenden Zeitgenossen den Ehrgeiz besaß, seine Memoiren in Buchform herauszubringen, hatte sie ihm prophezeit: „Dein Buch landet sowieso im Müll.“ Zwar nahm Angelika Geyer damit der bekennenden Dresdener Fußball-Legende als schärfste Kritikerin ein wenig den Mut. Abschrecken aber ließ sich Geyer nicht und sollte recht behalten. Sein autobiografisches Werk „Einwürfe“ wurde entgegen den Prognosen der Trainergattin ein Renner.

Prall gefüllte Erinnerungskiste

Neugierig darauf war man auch in Wittenberg. Am Dienstagabend lockten jenes Buch und dessen Autor eine große Fangemeinde ins Rathaus der Lutherstadt. Mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Katharina Louzek, Vizepräsidentin beim Kreissportbund, den Gast aus Dresden, als sie ihn begrüßte und sein Lebenswerk würdigte. Doch die Trainerlegende des Ostens, die nach wie vor für den Fußball lebt, bewies dann, dass nicht zu viel versprochen worden war. Geyers Erinnerungskiste war prall gefüllt mit Anekdoten, unter anderem aus seiner Zeit als DDR-Nationaltrainer, als Aktiver und auch als Trainer in Cottbus.

„Ich war als letzter DDR-Nationaltrainer 1990 noch mal ganz heiß darauf, die WM-Qualifikation zu schaffen. Wir standen bei unserem 2:1-Sieg gegen die UdSSR dicht davor. Dann kam das 0:3-Aus gegen Österreich. Ein polnischer Schiedsrichter verschaukelte uns. Ich war sauer. Damals hatte ich nur noch 14 Mann im Kader. Keiner wollte mehr so richtig dabei sein. Die Proficlubs lockten halt“, bedauerte Geyer den „Abgesang“ 1990. „Matthias Sammer (Anmerkung Red. Jetziger Sportdirektor Bayern München) war beim 2:0-Sieg gegen Belgien, dem letzten DDR-Länderspiel, unser zweifacher Torschütze“, erinnert sich der Dresdener noch an jedes Detail.

Dass Eduard Geyer so manchen Spruch in seiner aktiven Trainerzeit drauf hatte, zählte zu seinen Markenzeichen. „Manche jungen Spieler haben eine Einstellung zum Leistungssport wie die Nutten auf St. Pauli. Die rauchen, saufen, huren und gehen morgens um sechs ins Bett.“ Ein anderer hörte sich so an: „Wenn sich jemand dehnen will, soll er nach Dänemark fahren. Bei mir wird gelaufen, da kann keiner quatschen.“ Damit zeigte sich zugleich, dass seine Forderungen im Training immer wieder kompromisslos waren.

Eduard Geyer (Jahrgang 1944) , verheiratet mit Ehefrau Angelika, spielte von 1968 bis 1975 für Dynamo Dresden, das zu den damaligen europäischen Spitzenmannschaften zählte. Zuvor absolvierte er vier Länderspiele für die Juniorenauswahl der DDR. 1986 wechselte Geyer ins Trainerfach. Ehe er die 1. Mannschaft von Dynamo Dresden übernahm, betreute der diplomierte Sportlehrer den Dresdener Fußballnachwuchs. Von 1989 bis 1990 war Geyer letzter Trainer der DDR-Nationalmannschaft. Weitere Trainerstationen:1991/92 Banyasz Siofok (Ungarn); 1992-1994 Sachsen Leipzig 1994-2004 Energie Cottbus; 2005/2006 Al Nasr (Dubai); 2006/2007 Sachsen Leipzig; 2007/2008 Dynamo Dresden. Gemeinsam mit dem Journalisten Gunnar Meinhard entstand das Buch „Einwürfe“ in Form einer Autobiografie. (mz/rs)

Als Aktiver erinnert sich Geyer noch heute an das legendäre Ost-West-Duell zweier Meister Dynamo Dresden - Bayern München 1973. „Eigentlich standen wir kurz vor dem ganz großen Triumph. 3:4 in München. Zu Hause eine Dresdener 3:2-Führung. Dann das 3:3 durch Müller. Dies durch meinen Patzer. Ich konnte mich nicht mehr in Dresden sehen lassen.“ Die Schamröte steht Geyer bei dieser Schilderung noch 43 Jahre danach im Gesicht.

Von 1968 bis 1975 als Aktiver bei Dresden dabei, zählte Geyers Team zu den Spitzenclubs im europäischen Fußball. Nostalgie schwingt in seinen Worten, als er feststelle: „Für unsere Spielkultur waren wir bekannt. Lang ist es her.“

Bis ins deutsche Pokalfinale

Doch auch die Trainerjahre prägten Geyer. Wer es schafft, einem unbedeutenden Provinzclub wie Energie Cottbus von der 3. Liga bis in die 1. Bundesliga zu führen und sogar ins deutsche Pokalfinale zu manövrieren, der zählt als Trainer schon zu den ganz Großen seiner Zunft. Von 1994 bis 2004 währte die Erfolgsgeschichte Geyers in der Energiestadt. Dazu zählten der 1:0-Sieg über München und das deutsche Pokalfinale als damaliger Drittligist. All das wird für ewig in den Annalen des Cottbuser Fußballs Bestand haben.

Gern verfällt Geyer immer mal wieder in seinen Heimatdialekt. Das verleiht ihm die gewisse Bodenständigkeit - dem Dresdener Urgestein. Fragen aus dem Publikum: „Kann man vom Profifußball nach der Karriere leben?“ Darauf die Antwort: Ja, zehn Prozent können dies, 25 Prozent sind dauerhaft arbeitslos oder 30 Prozent verzocken sich. Der Rest hat sich im Vorfeld schon beruflich orientiert.

„Trotz deiner Millionen für zehn bis 15 Jahre kannste am Ende ooch nur een Schnitzel essen.“ - so der Coach in bestem Sächsisch. Viele würden sich am Ende als lebensunfähig erweisen. „Manche Profis kannst Du auf den Hauptbahnhof stellen, die kommen nicht an. Außer Fußball nichts im Kopf.“

Auch der Abschied Geyers vom Publikum am Ende eines unterhaltsamen Abends passte zu ihm. „Oh wir haben uns ganz schön verplaudert. In Dresden warten sie mit der Aufstiegsfete schon auf mich. Ich hoffe das Buch landet nun in Ihrer Schrankwand“, sagte er. Diese Hoffnung von Eduard Geyer scheint in Erfüllung zu gehen. Buchsignierungen wurden jedenfalls zahlreich gewünscht. (mz)

Lesung: In Wittenberg gab Eduard Geyer so manche Anekdote zum besten. Auch in seinem Buch "Einwürfe" gibt es davon einige.
Lesung: In Wittenberg gab Eduard Geyer so manche Anekdote zum besten. Auch in seinem Buch "Einwürfe" gibt es davon einige.
Klitzsch