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Dübener Heide  Dübener Heide : Wer tötet eine Hirschkuh trotz Schonzeit?

Von Michael Hübner 03.05.2016, 17:09
Der Kadaver einer Hirschkuh liegt an der Grenzweg-Hütte.
Der Kadaver einer Hirschkuh liegt an der Grenzweg-Hütte. Privat

Söllichau - Klaus Heinecke wechselt das Papp- gegen einen Plastikschild aus. Jetzt kann jeder Wanderer in der Dübener Heide erkennen, dass er in der Grenzweg-Hütte zur Rast verweilt. Der Söllichauer gönnt sich auch eine Pause. Dabei macht er eine grausige Entdeckung: Er sieht etwa zwölf Meter vom Rastplatz entfernt die Reste einer Hirschkuh: Kopf, Gerippe und Fell. „Das ist eine Sauerei“, so Heinecke.

Die Polizei stellte in der Nähe des Hirschkuh-Kadavers bei Söllichau drei Brieftaschen mit persönlichen Dokumenten sicher. Der unbekannte Dieb hat sich nur für das Bargeld interessiert. Zugeschlagen hat der bereits 2011. Der Täter hat sich aus einem Pkw „bedient“. Opfer waren Touristen, die einem Waldspaziergang unternommen haben.

Das Tier sei geschlachtet und der Rest in einem 40 Zentimeter tiefen Loch entsorgt worden. „Spaten nehmen und zu schaufeln“, fordert der Söllichauer, der im Forum der MZ-Bürgerreporter seine Recherchen mit Bildern veröffentlicht: „Es war nicht der Wolf, es war der Jäger!“ Diese Einschätzung teilt auch Walter Schwiersch. Der Gräfenhainichener Jäger hat auf Bitten der MZ die Fotos begutachtet. Demnach ist die Unschuld des Wolfes - auch der wird der MZ von Experten als möglicher Täter genannt - zweifelsfrei nachgewiesen. „Die Läufe sind sauber abgeschnitten und zwar mit einem Messer“, so Schwiersch, der von einem typischen „Rotwild-Aufbruch“ spricht.

„Die edlen Teile wurden entnommen, die Innereeien entsorgt. Das ist eine Schweinerei“, so der Waidmann. Es gibt aber auch unterschiedliche Auffassungen. „Das war ein Fehlschuss! Abgefeuert von einem fremden Jäger“, so Heinecke. Namen nenne er nicht: „Das ist ein heißes Eisen!“ Dem Schützen droht beim Fehlschuss - also einem Versehen - ein Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Davon gehen laut Heinecke auch die Polizeibeamten aus, die er zum Tatort ordert. Sie entdecken im Umfeld des getöteten Tieres private Dokumente und Diebesbeute. „Einen Zusammenhang mit dem Wild gibt es aber nicht“, sagt Polizeichef Marcus Benedix. Der Fall ist nicht so harmlos wie er scheint. Ein Versehen ist auszuschließen. „Die Hirschkuh, für die eine Schonzeit bis Herbst gilt, wurde bewusst erlegt. Wir reden hier ohne Zweifel von einer Straftat“, so Schwiersch. Der Jäger verweist auf das Bundesjagdgesetz. Wer ein für die Aufzucht des Nachwuchses erforderliches Elterntier erlegt, droht eine Geldstrafe bis zu 5 000 Euro.

Die Jagdbehörde der Kreisverwaltung prüft die Vorwürfe. Nach einer ersten „vorsichtigen Bewertung“ liege aber weder eine Ordnungswidrigkeit noch eine Straftat vor. „Nach bisherigen Erkenntnissen handelt sich um Landesforst und da läuft ein Biowaldprojekt, das lässt Ausnahmen in der Schonzeit zu“, so Ordnungsamtschef Götz Lehmann.

Es verweist auf „Biodiversität und Schalenwildmanagement“ vom Bundesministerium für Umwelt. Ziel sei - so formuliert es Leiter Hans von der Goltz - eine ausgewogene Balance zwischen Wald und Wild. „Unabhängig vom Projekt sind die Wald-Eigentümer verantwortlich“, sagt Michael Wenniger, Chef des Betreuungsforstamtes. Und Ausnahmegenehmigungen in der Schonzeit erteile nur die Jagdbehörde in Wittenberg. „Muttertiere sind tabu“, sagt Uwe Rubitzsch dazu.

Der Mann vom Forstbetrieb Anhalt hat eigene Recherchen angestellt. „Im Landesforst ist nichts Rechtswidriges passiert“, sagt er. Seine Erklärung: Der Vorfall haben sich im Söllichauer Revier ereignet. „Das können wir nicht ausschließen“, so Lehmann auf erneute MZ-Nachfrage. Er halte ein Schonzeitvergehen nun doch für möglich.

Heinecke ist mit den Aussagen vom Landratsamts nicht zufrieden: „Mir wurde gesagt, die Jäger können Tiere ablegen, wo sie wollen.“ Stimmt - zumindest im Prinzip. „Das ist kein prickelnder Anblick“, räumt Lehmann ein. In der Nähe von öffentlichen Plätzen, Wanderwegen und Rasthütten sollte dies deshalb keinesfalls erfolgen. (mz)