Distanzunterricht in Wittenberg Distanzunterricht in Wittenberg: Evangelische Gesamtschule bleibt in Verbindung

Wittenberg - Es ist Freitag, kurz nach acht. Um 7.20 Uhr hat die erste Mathestunde des Tages begonnen. Was sie gerade behandeln? Den Innenwinkelsatz von Dreiecken, sagt Marlis Riethdorf. Die Mathematik- und Chemielehrerin an der Evangelischen Gesamtschule „Philipp Melanchthon“ in Wittenberg sitzt in einem Klassenraum ohne Klasse. Wegen der Corona-Pandemie findet - sieht man einmal von den Abschlussjahrgängen ab - wie in anderen Schulen auch hier „nur“ Distanzunterricht statt.
Beträchtlicher Aufwand
Um diesen zu optimieren, nutzen sie in der Gesamtschule jetzt „itslearning“. Die in Skandinavien entwickelte Lernplattform ermöglicht es, Unterricht online zu planen und ebenda auch mit unterschiedlichsten Angeboten durchzuführen sowie auszuwerten. Beim ersten Lockdown im letzten Frühjahr, blickt Schulleiterin Birgit Freihube im Januar 2021 kurz zurück, da wurde praktisch alles per E-Mail gemacht.
Schon beim Hochfahren der Rechner habe man „gefühlt hundert Mails“ vorgefunden. Sie alle zu sichten und zu bearbeiten, war gewiss zeitraubend. Auch der Papierverbrauch dürfte nicht unerheblich gewesen sein.
Natürlich ist der Aufwand unter anderem in Hinblick auf die Vorbereitung der Arbeitsaufträge auch bei „itslearning“ nicht zu unterschätzen. Riethdorf sagt: „Alles, was ich sonst erzähle, muss ich jetzt verschriftlichen.“ Allerdings scheinen die Vorteile klar zu überwiegen. Einfach zu betreten sind die virtuellen Unterrichtsräume für jede Klasse und jedes Fach. Lehrer und Schüler können sich über die zu erledigenden Aufgaben und Ergebnisse in einem Chat austauschen.
Darüber hinaus wird ersichtlich, welcher Schüler wann in seinem Unterrichtsraum war oder wie lange schon nicht mehr. Und man bekomme auch mit, wenn jemand zusätzlichen Förderbedarf hat. Umgekehrt könnten schnelle und sehr gute Schüler zusätzlich gefördert werden. Wo es größeren Kommunikationsbedarf gibt, würde auch Teams genutzt.
In Hinblick auf die Lernplattform und die Möglichkeiten, die sie bietet, spricht Freihube auch von einer Individualisierung des Unterrichts - datenschutzkonform, denn jeder Schüler habe einen individuellen Zugang. Ansonsten sagt sie: „Ich bin super froh, dass unser Kollegium sich bereit erklärt hat, diese Plattform zu nutzen.“
Freihube, die Biologie und Sport unterrichtet, benutzt in diesem Zusammenhang den Begriff Druckbetankung. Es darf wohl als Hinweis auf die Intensität der Einführungen in das System und dessen Integration in den Alltag verstanden werden.
Leihgeräte für zu Hause
Andererseits müssen Lehrkräfte an der Gesamtschule ohnehin ziemlich technikaffin sein, mit den üblichen Lernkurven, klar. Denn inzwischen, so der Geschäftsführer der Einrichtung, Ingo Kliche, sei die Schule sozusagen durchdigitalisiert.
Den Schülern, so sie denn vor Ort sind, stehen im Haus 110 Rechner zur Verfügung. Und um die Infrastruktur, wo erforderlich, in den Elternhäusern zu verbessern, wurden wie berichtet vor einiger Zeit zusätzlich 90 Notebooks angeschafft, die als Leihgeräte für zu Hause zur Verfügung stehen.
Was zählt: Interaktion
Während nun Schulleiterin und Geschäftsführer an diesem Freitag über die Vorzüge des digitalen Arbeitens auch durch eine einheitliche Software berichten, hat Marlis Riethdorf die erste Mathestunde beendet und ist inzwischen zu Chemie gewechselt.
Sie hat Schüler direkt angeschrieben, beispielsweise wenn einzelne Schritte in den Aufgaben noch einmal überprüft werden sollten. Fast fühlt sich die Arbeit mit „itslearning“ an wie normaler Unterricht, denn Schüler und Lehrer sitzen in Echtzeit vor den Rechnern und stehen in Verbindung.
Normalerweise, sagt Marlis Riethdorf, arbeite sie derzeit (wie auch andere Kollegen) von zu Hause. Aber wenn sie die Zehntklässler hat, unterrichtet sie aus der Schule.
Bei aller Begeisterung fürs Digitale insbesondere hinsichtlich der neuen Lernplattform und der Absicht, einiges von dem, was jetzt gut läuft, in der Post-Corona-Zeit fortzusetzen, so lassen die beiden Lehrerinnen an einem keinen Zweifel: Dass Schule von Interaktion lebt und „persönliche Kontakte das A und O“ sind. „Wir sehnen den Tag herbei, wo alle wieder herkommen können. Auch die Schüler wünschen sich das“, sagt Freihube.
80 Mädchen und Jungen beim Kennenlerntag
Zum ersten Mal hat die Evangelische Gesamtschule in Wittenberg ihren traditionellen Kennenlerntag jetzt online durchgeführt - pandemiebedingt. Nach Auskunft von Geschäftsführer Ingo Kliche haben am 23. Januar 20 Lehrer mit insgesamt 80 interessierten Mädchen und Jungen jeweils 15-minütige Gespräche geführt. Inzwischen sei das Auswahlverfahren abgeschlossen und jene 46, die in die fünfte Klasse aufgenommen werden können, angeschrieben worden.
Aktuell findet wie in allen Bildungseinrichtungen wegen der Corona-Pandemie Distanzunterricht statt, eine Ausnahme bilden die Abschlussklassen. In der Gesamtschule haben sie - auch basierend auf den Erfahrungen aus dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 - in die Lernplattform „itslearning“ investiert. Nach eigenen Angaben sind sie im Landkreis die einzige Einrichtung, die mit diesem Tool arbeitet. Die Evangelische Gesamtschule ist in freier Trägerschaft mit Sitz in der Friedrichstraße. (mz)