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Die Eisenbahn bringt jetzt Sektgläser und einen Piccolo

Von RALPH WEISER 29.01.2009, 19:10

ZIEKO/MZ. - "Mein Hobby ist mitnichten die Eisenbahn, mein Hobby sind die leuchtenden Augen", hat der erwachsenenqualifizierte "Gaststättenleiter" einmal erzählt - und lässt den Piccolo zur Feier des Tages schon mal mit der Harzquerbahn vorfahren.

Dass es soweit gekommen ist, davon kann Liebchen - der Bruder des Plastinators Gunter von Hagens - ein besonderes Lied singen. Baubetrieb, Taxiunternehmen fünf Gewerbe-Anträge waren es, die dem Bauingenieur von den DDR-Oberen allesamt abgelehnt wurden. Am Ende blieb nur der Versuch, Gastronom zu werden.

Und es war ein erfolgreicher Versuch. Am 1. Februar 1989 wurde die Gaststätte Liebchens Waldschlösschen Hotel und Restaurant eröffnet. Ein Jahr zuvor hatte Liebchen gemeinsam mit seiner Frau die Gaststätte erworben. Eine einzige Toilette, ein Waschbecken mit kaltem Wasser und eine Dusche, die nie funktioniert. So fing das an im Waldschlösschen, das Liebchens eher als baufällige Bretterbude übernommen haben, denn als Hotel. "Meine Frau hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen", erinnert sich Liebchen. Kein Wunder, dass die Wende da überraschend kam. "Nichts war fertig, aber die Projektierungsunterlagen schlummerten immerhin schon in der Schublade".

Die bedeuteten für Liebchen vor allem eines: Arbeit. "Es gibt außer in der Küche keine Fliese im ganzen Haus, die ich nicht selbst gelegt habe", hatte er zum Zehnjährigen schon verkündet. Das eine war die Arbeit am Haus, das andere der Versuch, Gäste nach Zieko zu bringen. Eine Idee ist auch die Bedienung mit der Modelleisenbahn. Nach der Wende gelang es Liebchen, bei vielen Reisen durch die alten Bundesländer und mit Hilfe einer Firma eine exzellente Sammlung von Schienenfahrzeugen aufzubauen. Die Idee war ihm gekommen, als unter seinen Gästen einige Gleisarbeiter genüsslich beobachteten, wie seine erste Eisenbahn die Getränke in den Gastraum transportierte - serviert wurde im Hänger der Lok.

Da hatte er das Gröbste schon überstanden. "Wenn einer Pleite ging in dieser Zeit, dann war das dem System geschuldet", sagt er heute über die Wende. Voller Stolz verweist er auf seine Frau, die ihm in Höhen und Tiefen stets treu zur Seite steht. "Schöne Momente gibt es immer wieder, wenn Stammgäste erscheinen", erzählt er. Und dann blitzt sein ständig präsenter Humor wieder durch: "Wenn Sie Kaffee von gestern haben wollen, dann müssen Sie bis morgen warten." Aber auch dann würde er mit der Eisenbahn serviert werden.

Weil die echte aber nicht nach Zieko fährt, ist Liebchen auf Autofahrer als Gäste angewiesen. Da vermisse er von der Stadt Coswig Hinweisschilder auf sein Hotel. Denn die Chance des Waldschlösschens ist seine Lage: Zwischen Berlin und Leipzig gelegen, bietet es sich zum Tagesausflug an. Man muss nur wissen, wohin.