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Ehrung  Debatte im Stadtrat Wiitenberg: Stück der Heubnerstraße soll in Bossestraße umbenannt werden

Von Marcel Duclaud 23.06.2016, 16:29
Die Heubnerstraße wird teilweise zur Bossestraße. Hier befindet sich das Haus der einstigen Bosse-Klinik .
Die Heubnerstraße wird teilweise zur Bossestraße. Hier befindet sich das Haus der einstigen Bosse-Klinik . Klitzsch

Wittenberg - Wittenberg ehrt die Familie Bosse - durch die Benennung eines Stückes der Heubnerstraße, das in Bossestraße umgetauft werden soll. Das beschloss der Stadtrat am Mittwochabend bei drei Neinstimmen und zwei Enthaltungen. Dem Votum ging allerdings eine unerwartet heftige Debatte voraus.

Umbenannt werden soll das Stück zwischen Sternstraße und Friedrichstraße. Das passt insofern, als Paul Bosse, Chirurg, Frauenarzt und Retter vieler Menschen bei dem verheerenden Wasag-Unglück im Jahre 1935, dort in seinem Wohnhaus eine Klinik für Geburtshilfe einrichtete, die bis in die 1990 Jahre existierte. Viele Wittenberger erblickten in diesem Gebäude das Licht der Welt.

Repressionen und Verfolgung durch das Naziregime

Der Vorschlag, derart an die Familie Bosse zu erinnern, stammt von Professor Hans-Jürgen Grabbe. Zunächst hatte er eine Paul-Bosse-Straße ins Gespräch gebracht, was auch Basis einer Diskussion im Kulturausschuss war. Später bat Grabbe darum, nicht nur den Arzt, sondern auch seine Frau einzubeziehen und die Straße schlicht Bossestraße zu nennen.

Als Begründung führt der Professor an, dass die Familie unter Repressionen und Verfolgung durch das Naziregime zu leiden hatte. Käthe Bosse hatte jüdische Urgroßeltern, als „jüdisch versippter“ Chefarzt musste Paul Bosse das Paul Gerhardt Stift 1935 verlassen. 1944 wurde die Familie verhaftet und Käthe Bosse später im KZ Ravensbrück ermordet.

Betroffen von der Umbenennung sind 16 Anliegerhäuser mit aktuell 149 gemeldeten Personen. Gewerbe sei dort nicht registriert, Hausnummern könnten unverändert bleiben. Die Adressänderung der amtlichen Verzeichnisse (Grundbuch, Finanzamt, Einwohnermeldeamt) übernimmt die Kommune.

Paul Bosse, schrieb Professor Grabbe in seinem Antrag, „ist ein Name, der sehr vielen Wittenbergern präsent ist“. Eine echte Wiedergutmachung dessen, was ihm und seiner Familie angetan wurde, kann es nicht geben, aber eine Erinnerung an sein segensreiches Wirken sei möglich.

Die Stadtverwaltung hat in Abstimmung mit den Fraktionen Grabbes Bitte entsprochen und die Vorlage überarbeitet. Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) findet die Entscheidung richtig: „Paul Bosse bekannte sich zu seiner Frau, mit allen Konsequenzen.“

Das sieht auch die Mehrheit des Stadtrates so, Reinhard Lausch und Horst Dübner (Linke) bedankten sich ausdrücklich bei Professor Grabbe für seine Initiative. „Damit erhält die Familie einen festen und dauerhaften Platz im Gedächtnis der Stadt“, sagte Dübner. Paul Bosse habe Charakter und Haltung in einer finsteren Zeit bewiesen: „Das wird Bestand haben auf der Waage der Geschichte.“

Uneinigkeit im Stadtrat

Zwei Räte, Manfred Schildhauer und Dirk Hoffmann (AfD), präferieren allerdings die Paul-Bosse-Straße. Bossestraße sei zu profan, zu unpersönlich, moniert Schildhauer. Hoffmann findet, dass Bossestraße der Leistung von Dr. Bosse nicht gerecht werde. „Was passiert ist, ist fürchterlich und nicht wiedergutzumachen. Aber: Sie war die Ehefrau, er hat sich um Wittenberg verdient gemacht.“

Ein Satz, der auf Widerspruch stieß. Zugehör mahnte, „den Moment nicht kaputt zu machen und nach Bindestrichen zu fragen. Das hieße auch, die Opfer auszublenden.“ Dübner sprach von „nachträglicher Beleidigung“ auch aller anderen Opfer. „Die ganze Familie hatte eine große Last zu tragen. Wir sollten so viel Anstand besitzen, das anzuerkennen.“ Darauf Hoffmann: „Das ist unanständig. Wenn Sie eine ideologische Debatte führen wollen, ist das der falsche Zeitpunkt.“

Sein Antrag, die Sache in den Kulturausschuss zurückzuverweisen hatte keine Chance. Die große Mehrheit ist für Bossestraße. (mz)