Gericht Das erwartet den Vockeroder mit dem abgelaufenen tschechischen Führerschein
Ein Mann fährt mit abgelaufenem tschechischen Führerschein. Seine Rechtsanwältin wird gegen die aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts Zerbst in Berufung gehen.

Dessau/Oranienbaum-Wörlitz - Das Berufungsverfahren gegen einen 52-jährigen Mann aus Vockerode, der sich wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verantworten muss, nimmt vor der 4. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau eine ungewöhnliche Entwicklung. „Der Angeklagte hat einen Anspruch darauf, dass die offenen Fragen intensiv durchdrungen werden. Es ist gut, mehr in die Materie einzusteigen“, hielt der Vorsitzende Richter Thomas Knief fest.
Aussetzung zugestimmt
Weil die beginnende Urlaubszeit eine Fortsetzung in der dreiwöchigen Frist verhinderte, stimmten alle Prozessbeteiligten einer längeren Aussetzung zu. Weitergehen soll es nun am 3. November „Dass das alles nicht sehr angenehm ist, will ich gern glauben“, wandte sich Knief explizit an den Angeklagten. Aber die Schwierigkeit bemesse sich nicht allein an der Zahl der Tagessätze und ihrer Höhe. Die Tat trug sich mutmaßlich am 15. Mai vorigen Jahres auf einer Landesstraße nahe des Zörbiger Ortsteils Cösitz (Anhalt-Bitterfeld) zu.
Das zuständige Amtsgericht in Bitterfeld hatte dem bislang nicht vorbestraften Oranienbaum-Wörlitzer mithin eine Geldstrafe von 800 Euro (20 Tagessätze je 40 Euro) auferlegt. Basis der Verurteilung war, dass sich bei einer Kontrolle durch die Polizei herausstellte, dass der vom Fahrer vorgezeigte Führerschein, der in Tschechien ausgestellt wurde, wohl seit einem Monat nicht mehr gültig war.
Rechtsanwältin Dorothea Hänel-Lange, die den 52-Jährigen mittlerweile verteidigt, meinte allerdings, dass es aufgrund der Corona-Pandemie zu einer automatischen Verlängerung des Dokuments durch die Behörden gekommen sei. Und nach dem Recht der Europäischen Union gelte das Papier in Deutschland.
Im Übrigen, so die Juristin, bedeute die abgelaufene Gültigkeit eines Dokumentes nicht, dass damit zugleich die Erlaubnis, ein Fahrzeug zu führen, erlischt. „Ist mein deutscher Pass abgelaufen, bin ich ja trotzdem immer noch Deutsche“, argumentierte Hänel-Lange.
„Mein Mandant ging davon aus, dass er weiterhin fahren durfte. Er hatte niemals den Vorsatz, ohne Fahrerlaubnis zu fahren.“ Ihm sei darüber hinaus nicht untersagt worden, sich hinter das Steuer eines Fahrzeugs zu setzen. „Für den Angeklagten ist es schwer, alle Grenzen nachzuvollziehen“, schob Rechtsanwältin Hänel-Lange nach.
Dass eine längere Verfahrensunterbrechung der Aufklärung dienlich ist, ergab sich auch aus dem von Sven Köhler gestellten Beweisantrag. Der Staatsanwalt regte an, das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit Petrovice-Schwandorf um Auskünfte zu bitten.
Hierbei wird es darum gehen, ob der Vockeroder für mindestens 185 Tage im Jahr seinen Wohnsitz in Tschechien hatte. Köhler zweifelte das an. Die Adresse, die vom Angeklagten angegeben wurde, führe zu einer Pension. „Es ist also eine Bleibe und keine Wohnung“, fand der Anklagevertreter.
Hochkomplexe Angelegenheit
Dem widersprach die Verteidigerin. In der Zeit, um die es gehe - die tschechischen Behörden stellten den Führerschein im April 2010 aus -, habe es sich um keine Pension, sondern um eine möblierte Wohnung gehandelt. „Da saß niemand, der einen Schlüssel ausgegeben hat.“
Dorothea Hänel-Lange hielt daher das Wohnsitzerfordernis für erfüllt. Ob sie damit richtig liegt? „Es ist eine hochkomplexe und hoch komplizierte Angelegenheit“, schätzte der Vorsitzende Richter ein. „Uns stellen sich Fragen, die wir uns in Ruhe anschauen müssen.“ (mz)