Bürgermeisterwahl in Gräfenhainichen Bürgermeisterwahl in Gräfenhainichen: Duell in der Jamaika-Koalition

Gräfenhainichen - Das ist ein absolutes Novum in der Gräfenhainichener Politik: Erstmals treten zwei Bewerber aus einer Stadtratsfraktion im Kampf um den Chefsessel im Rathaus gegeneinander an. Enrico Schilling (CDU), der seit Jahren auf das Bürgermeisteramt spekuliert, hat seit dem Wochenende Konkurrenz aus den eigenen Reihen erhalten: Rene Schmidt (Grüne). „Das lässt die Koalitionsvereinbarung zu“, sagt Fraktionschefin und Juristin Petra Kuhnert.
Wahlleiter bei den Bürgermeisterwahlen in Gräfenhainichen ist das Stadtoberhaupt Harry Rußbült (Linke). „Das ist vom Gesetzgeber so festgelegt“, hieß es gestern dazu aus dem Rathaus der Heidestadt. Problematisch ist das nicht, da der Verwaltungschef nach eigenem Bekunden für eine weitere Amtszeit von sieben Jahren nicht mehr zur Verfügung steht. Gewählt wird sein Nachfolger, der im Juli sein Amt antritt, am 12. April. Bei zwei Kandidaten - das ist der derzeitige Stand - fällt schon an diesem Tag die Entscheidung. Gibt es aber mehrere Bewerber, muss der Sieger die 50-Prozent-Hürde knacken. Ist das nicht der Fall, gibt es am 26. April Stichwahlen. Antreten dürfen dabei die zwei Kandidaten, die zwei Wochen zuvor die meisten Wählerstimmen für sich verbuchen konnten.
Theoretisch könnte das Duo problemlos noch zum Trio werden. Doch Cornelia Kuhnert (FDP) - das erklärte sie gestern erneut auf MZ-Anfrage - will nicht in den Ring steigen. Aber selbst das würde nicht zum Bruch der „Jamaika“-Fraktion im Stadtrat führen, heißt es seitens der CDU. Und auch Schilling gibt sich locker. „Ich weiß, wie es geht“, sagt der 36-jährige Außenhandelskaufmann, der vor elf Jahren in Tornau zum jüngsten Bürgermeister in Sachsen-Anhalt gewählt wurde.
Vor sieben Jahren ohne Chance
Kurios: Trotz der durchaus brisanten politischen Premiere gab es das gleiche Duell Schilling gegen Schmidt schon einmal vor sieben Jahren. Schmidt trat da aber noch ohne Rückenstärkung einer Partei an. Sein Wahlplakat war allerdings ein Hingucker: ein kleines Foto und ein Name. Mehr nicht. Es lag viel Symbolkraft im visuellen Auftritt: ein unbeschriebenes Blatt und dazu das Weiß der Unschuld. Und doch war der Einzelbewerber schon damals kein Unbekannter, seine politische Unschuld hat er längst verloren - in der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit.
Mit markigen Sprüchen forderte er Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) zu mehr sozialem Engagement auf. Inzwischen - 48 Monate später - wählt der 31-jährige Hotelkaufmann seine Worte bewusster aus. An seinen einstigen Zielen hält er aber fest. 2008 wollte er das Geld in den städtischen Kassen vermehren - und dies vor allem durch eine „ordentliche Vermarktung von Ferropolis“. Gestern sagt er zum Thema Baggerstadt, „das Geld muss in der Stadt bleiben“.
Taktische Gründe
Schmidt greift ein weiteres altes Thema auf, das immer noch ungelöst ist. „Wenn ich Bürgermeister bin, werde ich alles dafür tun, dass sich ein Kinderarzt in Gräfenhainichen ansiedelt. Das ist wichtig für die Familien“, so Schmidt. 2008 hatten weder er noch Schilling, der übrigens aus taktischen Gründen bei Stadtratswahlen auch schon mal als Kandidat einer Unabhängige Bürgergemeinschaft ins Rennen ging, den Hauch einer Siegchance. Harry Rußbüllt (Linke) schaffte im ersten Wahlgang fast 75 Prozent.
Die Ankündigung des Stadtoberhauptes in der vergangenen Woche, dass er für eine weitere Amtsperiode nicht zur Verfügung steht (die MZ berichtete), hat zumindest bei der SPD nun doch noch Aktivitäten ausgelöst. „Es ist keine Entscheidung gefallen. Das Thema stand nicht auf der Tagesordnung“, erklärte nach der Fraktionssitzung am Montagabend Lothar Schröder auf MZ-Anfrage. Dabei bereitet sich Andreas Wilke offensichtlich auf eine Kandidatur vor.
„Ich habe per Mail eine Einladung zur Sitzung erhalten“, so Wilke, der nach eigenen Angaben von Rußbült schon vor dessen offizieller Ankündigung die Entscheidung des Verwaltungschefs kannte. Möglicherweise scheitert im Moment die Nominierung noch an einer Formalie. Der Bewerber in spe ist nicht Mitglied im Gräfenhainichener Ortsverein. Dazu Schröder: „Kein Kommentar!“
Eine Alternative
Den liefert Wilke am Dienstag per Mail. „Wir sind noch zu keiner abschließenden Entscheidung gekommen. Obwohl Einigung darüber bestand, den Bürgern der Stadt eine echte Wahl zu ermöglichen und auch eine Alternative zu geben“, so der 43-jährige Diplomfinanzwirt. „Man sollte es der CDU nicht zu einfach machen. Wir haben beschlossen, noch einige Gespräche zu führen und uns spätestens Ende Januar oder Anfang Februar zu entscheiden“, so der Betriebsprüfer aus dem Dessauer Finanzamt.
Von den Linken - auch die hatten am Montagabend eine Fraktionssitzung - gibt es ebenfalls nichts Neues. Die Kandidatensuche - bis zum 16. März müssen die Bewerber ihre Unterlagen einreichen - läuft auch hier noch ergebnisoffen. „Es ist fünf vor zwölf“, sagt Werner Reckziegel, der noch alle Optionen für möglich hält. „Wir brauchen jemanden, der das Amt wirklich will, und auch das Zeug zum guten Stadtoberhaupt hat“, so Reckziegel, der nicht dementiert, dass es Parteimitglieder gibt, die hoffen, dass Rußbült seine Meinung doch noch ändert.
„Wir müssen aber auch nicht einen Kandidaten um jeden Preis aufstellen“, sagt Reckziegel. Alternativ könne auch ein Bewerber einer anderen Partei unterstützt werden. „Aber für eine Wahlempfehlung haben wir noch Zeit“, so Reckziegel.
Bereit zum Boxen gegen Klitschko?
Und die könnte genutzt werden, um mal nach zu Möhlau zu blicken. „Mich hat noch keiner gefragt“, sagt Marek Pannicke. Im Fall der Fälle, sagt der Stadtrat weiter, würde er sich aber Bedenkzeit ausbitten. „Gegen Schilling antreten? Da kann ich doch gleich gegen Klitschko boxen“, zeigt sich der Kommunalpolitiker auch bei Presseanfragen schon mal schlagfertig.
Obwohl, überlegt der 31-jährige Maler laut, Schilling könnte „bei einer geringen Wahlbeteiligung“ schon noch Probleme bekommen. Und Pannicke - ein aktiver Kegler und Abteilungsleiter - hat zumindest sportlichen Ehrgeiz: „2016 möchte ich Bürgermeister werden - in Möhlau“, lautet seine derzeitige Kampfansage. (mz)