Buchvorstellung "Luthers Küchengeheimnisse" Buchvorstellung "Luthers Küchengeheimnisse": Ein Reformator zum Anbeißen

Wittenberg - Zuerst einmal: Luther war ein Feinschmecker. Und was ihm gemundet hat, schmeckt auch heute noch. Davon konnten sich die Gäste bei der Buchvorstellung „Luthers Küchengeheimnisse“ persönlich überzeugen. Nicht ohne Grund fand dieselbe in der „Alten Canzley“ in Wittenberg statt, wo neben der Theorie auch eine Verkostung stattfand.
Luthers Leibspeisen
Für Küchenchef Ralf Schiller ist die Umsetzung von originalen Rezepten aus der Lutherzeit nichts neues. Gibt es doch auf der Speisekarte bereits ein Lutheressen. Diesmal hat Schiller auf das neue Buch von Elke Strauchenbruch zurückgegriffen, in dem gängige Speisen verraten werden. „Luther hatte zwei Leibspeisen: Brathering und Erbspüree, und dann die Gänsebrust“, verriet Schiller, der selbiges zur Verkostung anbot. Noch ein Wurzelsüppchen mit Pastinake, Kohlrübe, gelber Rübe, Sellerie, Butter und geschmolzenem Käse. Dazu „Omas Zuckerkuchen, original aus Frau Strauchenbruchs Buch“. Hausherrin Christa Rath, die ihrem Küchenchef eine große Experimentierfreude bescheinigt, freute sich über fast leere Töpfe und Schüsseln. Selbst der Hering mit Erbspüree, für den heutigen Gaumen eine eher ungewöhnliche Zusammenstellung, fand eine ungeteilte Zustimmung.
Auf 168 Seiten widmet sich Elke Strauchenbruch in ihrem neuen Buch intensiv der Küche der Lutherzeit. Es geht um Speisevorschriften, Legenden und nicht zuletzt werden auch Rezepte verraten. Diese haben, wie das Folgende zeigt, keine Mengenangaben.
Gefüllte Eierkuchen mit Geflügelresten und Preiselbeeren. Bereite aus Mehl, Eiern, Milch, Salz und gewiegten Kräutern einen nicht zu flüssigen Eierkuchenteig. Backe in heißem Fett acht kleine Eierkuchen und stelle sie warm. Du kannst Geflügelfleisch fein zerschneiden, mit gewürfeltem Speck und Eiern zu einer Farce verarbeiten und mit Salz, Pfeffer, Petersilie, Kerbel, Thymian und Apfelbranntwein abschmecken. Verteile die Füllung auf die Mitte von 4 Eierkuchen und lege die übrigen als Deckel auf sie. Dann backe sie. Serviere sie mit einem Mus aus Preiselbeeren. (Aus Hans Jürgen Fahrenkamp: Wie man ein teutsches Mannsbild bey Kräfften hält) „Luthers Küchengeheimnisse“ ist in der Evangelischen Verlagsanstalt erschienen und zum Preis von 14,80 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-374-04123-7).
„Leider ist aus Wittenberg kein Kochbuch erhalten, nur Speisezettel. Darum musste ich auf drei Kochbücher jener Zeit aus Mitteldeutschland zurückgreifen“, sagte Elke Strauchenbruch, die mit ihrem neuen Buch an das Vorgängerwerk „Luthers Paradiesgarten“ anknüpft. Beim Sortieren der Literatur sei ihr aufgefallen, dass Essen ein „ganz aktuelles Thema“ sei. Durch die Reformation habe sich viel in der Gesellschaft verändert, auch das Essen. Wurden davor die Fastenzeiten streng eingehalten, aß man danach in protestantischen Gegenden zur Fastenzeit demonstrativ Fleisch.
Wir bekennen uns zur Reformation
Die Historikerin hat für das Ratsessen 1540 (an einem Donnerstag nach Aschermittwoch) in den Kämmereirechnungen eine Einkaufsliste der Zutaten gefunden, darauf finden sich neben 120 Eiern auch Kalbsfleisch, Wildschwein und eine Ochsenzunge. „Das war eine klare Aussage: Wir bekennen uns zur Reformation“, deutet die Autorin diesen Bruch mit der alten katholischen Tradition. Natürlich konnte sich nicht jeder zu jeder Zeit Fleisch leisten. Arme Leute ernährten sich vor allem von Brotgetreide, Hafergrütze und Hirsebrei. „Allein für das Brotgetreide gaben sie etwa 37 Prozent ihres Einkommens aus, zwei Drittel für Lebensmittel insgesamt“, resümiert Strauchenbruch. „Wenn wir dagegen von Luther und seinen Freunden lesen, bewegen wir uns in gehobener Gesellschaft.“
Essen macht gesund oder krank
Die Kapitel ihres neuen Buches, des inzwischen fünften über reformatorische Alltagsgeschichte, tragen so treffende Titel wie „Essen macht gesund oder krank“, „Die Legende vom fressenden und saufenden Luther“ oder auch „Die Legende vom asketischen Melanchthon“. „Luther hatte zwar einen mächtigen Leib, er soll aber mäßig gegessen haben und war ausgefallenen Sachen nicht sonderlich zugetan“, räumt sie mit gängigen Vorurteilen auf. Was Melanchthon betrifft, von dem es lange hieß, er sei Vegetarier gewesen, glaubt sie, dass er durchaus Fleisch genossen hat. Als Beleg zieht die Historikerin Speisen bei Festmahlen zu seinen Ehren heran: „Warum sollte es dort Fleisch geben, wenn Melanchthon keines aß?“
Amüsant wird es beim Kapitel über die Trunkenheit. Dass das Wasser oft ungenießbar war und deshalb viel mehr Bier getrunken wurde, ist weitgehend bekannt. Zunehmend wurde aber der Branntwein zum Problem, der nicht mehr nur zum Einreiben Verwendung fand. „1522 beklagten sich die Branntweinbrenner, weil durch die nicht mehr stattfindenden Heiltumsweisungen an der Schlosskirche ihr Umsatz einbrach“, berichtet die Historikerin. Gegen den Alkoholmissbrauch halfen auch zahlreiche Predigten Luthers nicht. (mz)