Brauhaus in Wittenberg Brauhaus in Wittenberg: Bier fließt aus Nachbarhaus

Wittenberg - Neugierig spähen Wittenberger durch das große Fenster, das seit neuestem den Schriftzug „Adlerschänke“ trägt. Drinnen klappern Teller, klirren Gläser, wuselt das Personal durch die Gänge. Das Besondere ist das gezapfte Bier. „Wir haben eine Leitung hierher gelegt“, verrät Peter Fasbender lächelnd. „Wir sind ja hier Haus an Haus.“ Was am Markt Nummer 7 aus dem Zapfhahn fließt, ist wenige Meter entfernt im Brauhaus Markt 6 gebraut.
Das Haus am Markt hat eine lange Geschichte. Ursprünglich ein Weinhaus, erwarb 1524 der Stadtrichter Urban Kranepuhl das Gebäude vom Rat der Stadt. Er machte daraus einen Gasthof und nannte ihn „Zum Adler“. Das „Gold“ kam erst 1720 dazu. Martin Luther soll hier schon Stammgast gewesen sein. Zeiten und Besitzer wechselten, der Laden neben dem Bierausschank wurde mal für Glaswaren, mal für Stoff genutzt.
Im Befreiungskrieg 1813 traf ein Geschoss das Haus und durchschlug es vom Dach bis zum Keller. Eine weitere Kugel setzte das benachbarte Hinterhaus in Brand, das Feuer fraß sich bis zum „Goldenen Adler“ durch, ihm fielen das Dach und die oberen Etagen zum Opfer. Wieder aufgebaut, feierte das Haus 1924 sein 400-jähriges Bestehen. In den 70er Jahren verstaatlicht, hat es Umbauten über sich ergehen lassen müssen. (mz/kbl)
Das Bier ist nicht das einzige, was das Brauhaus und den „Goldenen Adler“ verbindet. Mit Ilka Crahmer und Peter Fasbender gibt es in beiden Häusern die gleiche Geschäftsführung, und Küchenchef René Böttger ist für die Umsetzung beider Speisekarten zuständig. Wobei die zu 80 Prozent identisch sind und vom Salatteller über eine vegetarische Gemüsepfanne bis zum Schnitzel sehr bodenständige Gerichte bieten. Die Getränkekarte ist sogar komplett die selbe. Und auch die Einrichtung der Gaststätte, mit Kupferrohren und etwas rustikalen Möbeln, erinnert an das Nachbar-Etablissement.
„Der Goldene Adler ist ein Tochterunternehmen geworden“, erklärt Geschäftsführer Fasbender. Anfang des Jahres hat der frühere Eigentümer Volker Lehmann das Haus an Jürgen Crahmer verkauft. Mit dem seither neu eingerichtetem gastronomischen Bereich, der rekonstruierten Küche und den Zimmern in den Obergeschossen geht das Gebäude mit seiner langen Tradition (siehe „Schon Luther...“) am Wochenende offiziell in Betrieb. Am Mittwoch ist in der Gaststätte „Adlerschänke“ der „Probelauf“, wie Fasbender es nennt. Während noch Handwerker am Arbeiten sind und Mitarbeiter den Palmensaal auf Hochglanz bringen, hat das Personal im Restaurant schon gut zu tun.
Wer den „Goldenen Adler“ von früher kennt, wird vieles wiederfinden. Der Palmensaal, der für Familienfeiern, Hochzeiten und ähnlichem Platz für bis zu 50 Personen bietet, ist geblieben und strahlt noch im Jugendstil-Charme. Auch im Keller finden sich Paneele und Fliesen, die Geschichte zeigen, nämlich die der DDR. Dort unten gibt es nun separate Toiletten für „Charles Bar“, die weiter als Mieter im Haus bleibt. Der Frühstücksraum für die Hotelgäste ist schon von Volker Lehmann sehr zweckmäßig gestaltet worden und so geblieben.
In den Flur kommen noch alte Wittenberger Aufnahmen vom Bahnhof, dem Licht-Luft-Bad oder auch von der Vogelwiese. 17 Zimmer mit ein und zwei Betten gibt es, überdies ebenfalls eine Verbindung zum Brauhaus. „Mit nun insgesamt 34 Zimmern sind wir das größte Privathotel in Wittenberg“, so Peter Fasbender, der für den Betrieb weitere 13 Leute eingestellt hat. Buchungsvorlauf für Hotel und Feiern gebe es bereits.
Er verhehlt nicht, dass die Investition ursächlich dem Reformationsjubiläum dient. „Ein Hotel dieser Lage hat große Vorteile“, weiß der Geschäftsführer, der das Haus nun ganzjährig öffnet. „Wir werden uns auch in Sachen Werbung etwas einfallen lassen.“ Was das Hotel noch nicht hat, ist ein Fahrstuhl. Fasbender ist sich dieses Mankos nur zu sehr bewusst. „Wir werden weiter investieren, das haben wir schon im Plan“, fügt er hinzu.
Am heutigen Freitagabend wird es eine kleine Eröffnung geben, ab Sonnabend geht der „Goldene Adler“ in den regulären Betrieb. Zur Eröffnung gibt es in Sachen Bier neben Wittenberger Hell und Dunkel auch Wittenberger Craft Beer, ein bernsteinfarbener Gerstensaft, der seine etwas fruchtige Note dem Mandarinenhopfen verdankt. „Der Markt selbst gebrauter Biere wächst“, sagt Fasbender. „Wir bieten immerhin gleich vier an.“ Einen Hingucker hat er in der Gaststätte neben der Tür stehen: eine mechanische Aufschnittmaschine aus dem Jahr 1908. „Da schneidet der Chef ab Samstag den Reinsdorfer Schinken“, erklärt er und dreht an der Kurbel der restaurierten Technik. (mz)