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Besuch im Vier-Schwestern-Haus

Von Irina Steinmann 21.04.2008, 17:49

Wittenberg/MZ. - Sie tragen Tracht, grau und anthrazit, auf dem Kopf ein weißer Schleier mit schwarzem Reif. Vor einem Monat haben Elisabeth Häfner, Heike Busch, Karin Veeser und Hanna Weiß ihr Haus am Kirchplatz bezogen.

Der Stadtkonvent der "Christusbruderschaft" mit Stammsitz im fränkischen Selbitz ist ein Novum auch und gerade in der Stadt der Reformation: In der Kirche Luthers galten Orden über Jahrhunderte als - verpönt? katholisch? gestrig? "Ordensvergessenheit" nennt es Schwester Elisabeth, die Konventsverantwortliche. Wie andere evangelische Orden ist die Christusbruderschaft erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Eine junge Gemeinschaft. Mit einer Struktur, die traditionell weniger hierarchisch ist, wie es heißt, als familienähnlich. Wobei dem Vorbild Familie natürlich Grenzen gesetzt sind: Hier leben vier Frauen zusammen, die jüngste 39 Jahre jung, die älteste mit 66 schon Rentnerin. Es sind, und wahrscheinlich ist man selber schuld, wenn man sich darüber wundert, auch vier ganz unterschiedliche Temperamente.

Zaghafte Sonnenstrahlen fallen an diesem noch kühlen Vormittag im April durch die Fensterscheiben im ersten Obergeschoss. Ein dezent fröhlich gemustertes Sofa und Sessel in "Terracotta", viel helles Holz und blanke Dielen - das ist das Wohnzimmer, freundlich, gemütlich, überhaupt nicht streng oder karg. Vor dem Fenster ragt das Gemäuer der Stadtkirche empor, fast zum Greifen nah. Der Tagesablauf der Schwestern folgt, was Gebet und Mahlzeiten angeht, gewissen Regeln, ein gemeinsames Frühstück gibt es aber gerade nicht. Dieser "Freiraum" vor dem Morgengebet um 7.45 Uhr dient der Besinnung auf sich selbst, auf den bevorstehenden Tag, weshalb man in dieser Zeit auch nicht miteinander spricht (dafür später umso mehr).

Die Schwestern legen Wert darauf, nicht nach Wittenberg gekommen zu sein, um das kirchliche "Outfit attraktiver zu machen", wie es Schwester Elisabeth formuliert. "Es geht mehr darum, da zu sein." Und es geht um Kommunikation. Noch sind längst nicht alle Gegenstände auf allen Etagen an ihrem Platz, noch sind gelegentlich Handwerker im frisch sanierten Haus, noch ist der Garten halb bunt, halb wüst, da stehen schon Leute vor der Tür. Sie wollen reden. Schwester Hanna (46), Diplomverwaltungswirtin und nebenbei Beherrscherin aller Blockflöten von der kleinsten bis 1,20 Meter, vermutet einen "Vorschuss-Bonus" aufgrund der Tracht. So eine Art verbriefte Neutralität in Gefühlsdingen vielleicht. Wenn die Konventverantwortliche Elisabeth Häfner andererseits sagt: "Wir sind nicht mit einem festen Programm gekommen", so meint die 57-Jährige damit auch das Verhältnis zum Nachbarn Bugenhagenhaus. Man miete es, wie andere Anbieter auch, für die eigenen Veranstaltungen, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr: Sie wollen nicht die guten Geister von irgendetwas sein, das nicht ihres ist.

Der Umzug von Selbitz in die Lutherstadt - jede von ihnen hatte ihre eigenen Gründe, sich dafür zu entscheiden. Nach 20 Jahren ausschließlich in Leitungsfunktionen genießt es beispielsweise Schwester Elisabeth, nun wieder "ganzheitlich" tätig sein zu können, ganz profan: auch mal zu kochen, zu putzen und eben das ganze Haus mit am Laufen zu halten. "Das tut mir gut", sagt sie. Und wenn ihre Präsenz und die ihrer Mitschwestern in der Stadt dann auch noch anderen gut tut - umso besser.

Neulich hat Schwester Hanna einen Traum gehabt. Es ging darin um einen zweiten Schuh, der sich plötzlich wiederfand. "Es passt." Sie meint Wittenberg. "Wir sind dabei anzukommen", sagt Schwester Elisabeth. Gleich wird die Uhr zwölf schlagen. Es ist Zeit für das Mittagsgebet.