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Bestattung in Oranienbaum Bestattung in Oranienbaum: Ein friedlicher Wald

Von Ilka Hillger 14.01.2016, 15:40
Christian Hojenski ist Friedwald-Förster.
Christian Hojenski ist Friedwald-Förster. thomas Klitzsch Lizenz

Oranienbaum - Christian Hojenskis Leben hat sich seit dem Herbst 2008 verändert. „Natürlich denkt man bei solch einer Arbeit mehr über die eigenen Befindlichkeiten nach und viele Probleme relativieren sich“, sagt der Förster. Hojenski hört viele Geschichten und kennt etliche Schicksale. All dies bei einer Arbeit, die man gemeinhin mit Einsamkeit verbindet. Der Mann aus Laußig, südlich von Bad Düben in Nordsachsen gelegen, ist jedoch mehr als ein Forstingenieur mit eigenem Büro. An mehreren Tagen in der Woche ist der Friedwald im Gartenreich Dessau-Wörlitz sein Arbeitsort.

Christian Hojenski ist der Friedwald-Förster und in dieser Funktion eben nicht nur für das Waldstück der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz verantwortlich, sondern auch für alle Fragen um den Friedwald, die Bestattungsstätte nahe Oranienbaum.

„Ich kümmere mich um die Führungen und den Baumverkauf, übernehme die Grabvorbereitung und lasse die Urne ein, wenn dies gewünscht wird“, erklärt er seine Arbeit, für die er Werkverträge mit der Kulturstiftung und der FriedWald GmbH als Betreiber abgeschlossen hat. Wenn er am morgigen Sonnabend zur ersten Führung im neuen Jahr bittet, dürften es wieder etliche Interessenten sein, die sich dafür am Friedwald-Parkplatz einfinden. „Im Schnitt sind immer 20 Leute dabei“, sagt Hojenski. „50 Prozent entscheiden sich schon zu Lebzeiten für eine Bestattung im Friedwald.“ Diesen Menschen erklärt er das Prinzip, um eine letzte Ruhestätte zu Füßen eines Baumes zu finden.

Der Friedwald Gartenreich Dessau-Wörlitz war mit seiner Eröffnung im September 2008 der erste derartige Wald in Sachsen-Anhalt und Sachsen. 118 Hektar misst der Bestattungswald, seit seiner Einrichtung fanden hier 1 200 Beisetzungen statt. Schon zu Lebzeiten haben sich 3 342 Personen für einen Bestattungsplatz entschieden.

Jetzt, im Winter, ist der Wald licht. Gelbe, blaue und rote Bänder kennzeichnen Bäume. „Die sind noch frei“, erklärt Christian Hojenski beim Rundgang. Die Farben stehen für Gemeinschafts-, Familien- oder Partnerbäume. Bis zu zehn Urnen können rund um einen Baum mit einem Abstand von zweieinhalb Metern vom Stamm in das Erdreich gelassen werden. Die Urnen sind aus einem Material, das sich nach drei bis fünf Jahren zersetzt. Die Masse der Verträge läuft bis zum Jahresende 2107. Lediglich bei den Basisbäumen, der preisgünstigen Variante der Bestattung im Friedwald, liegt die Laufzeit bei 20 Jahren.

Laut Christina Hojenski ist die letzte Ruhestätte in einem Friedwald zunehmend eine Alternative für die Menschen. „Etliche lehnen die traditionelle Friedhofskultur ab. Die Lebenswelt hat sich geändert, die Kinder wohnen nicht mehr in der Nähe. In einem Friedwald fallen keine Kosten für die Pflege an“, so Hojenski. Manche Verwandte sieht er nach einer Bestattung nie wieder, andere kommen täglich oder wöchentlich zu den Bäumen, die allesamt mit Täfelchen und Nummern gekennzeichnet sind.

Zuweilen sieht man am Stamm ein Vogelhäuschen oder Meisenknödel in den Ästen. Manchmal markieren Naturmaterialien einen Urnenstandort. „Rinden, Wurzeln, Steine oder Zweige nutzen die Hinterbliebenen, um den Bestattungsort zu kennzeichnen“, sagt der Friedwald-Förster. Zur Natur gehören hier auch Wildschweine, viel Rehwild, mal ein Fuchs oder Waschbär. „Es gab schon Beisetzungen, bei denen eine Rotte Wildschweine vorbei zog“, erzählt er. Oder es kommen Pilzsammler, „das ist hier ein Steinpilzwald“, weiß Hojenski. Problematisch sei dies alles nicht, es ist eben das Prinzip eines offenen Waldes, durch den auch Radfahrer und Wanderer kommen. Lediglich Hinweisschilder an den großen Waldwegen geben Auskunft über die Besonderheit dieses Areals, in dem im Laufe der Jahre bislang 1 200 Bäume für Beisetzungen ausgewiesen wurden.

„Gerade haben wir wieder einen neuen Abschnitt eingerichtet“, sagt Hojenski an der Orientierungstafel. Die macht deutlich, wie groß die Fläche ist, die die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz für den Friedwald zur Verfügung stellt. Auch rechter Hand der Zufahrtsstraße gibt es noch ausreichend Fläche für neue Bäume, die per GPS akribisch kartiert werden. Stieleichen, Hainbuchen, Eschen, Erlen und Rotbuchen sind es vor allem in diesem Waldgebiet. „Aber auch viel Wildobst“, erklärt der Förster und zeigt einen Apfelbaum, unter dem sich ganz frisch die Wildschweine das abgefallene Obst holten.

Dann kommt ein Regenschauer. Christian Hojenski schiebt sich den Hut in die Stirn und steigt in seinen Geländewagen. Der Parkplatz ist leer. Von den Bäumen tropft es. Der Wald liegt ganz ruhig, dann singt eine Amsel. Friedlicher und würdevoller kann ein letzter Ort kaum sein.

Wer den FriedWald Gartenreich Dessau-Wörlitz kennenlernen möchte, kann sich unter Telefon 06155/84 82 00 oder im Internet unter www.friedwald.de zu einer kostenlosen Waldführung anmelden. (mz)

Christian Hojenski erklärt unter anderem die Bedeutung der verschiedenen Markierungen.
Christian Hojenski erklärt unter anderem die Bedeutung der verschiedenen Markierungen.
thomas Klitzsch Lizenz
Schild zum Friedwald
Schild zum Friedwald
MZ/Archiv Lizenz