Bergwitzsee Bergwitzsee: Suche nach Vermisstem geht weiter

Bergwitz - Vor fast zwei Wochen ist im Bergwitzsee ein 73-Jähriger Schwimmer verschwunden. Noch immer fehlt von dem Mann jede Spur. Dennoch geben die Männer und Frauen von Feuerwehr, Polizei und DLRG nicht auf. Die Suche nach dem Mann wird nicht eingestellt. Die Frage, ob man den Schwimmer lebend findet, stellt sich am Ufer jedoch keiner mehr.
Es ist Sonntagmorgen kurz vor zehn Uhr. Der Ortsverband Wittenberg der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft trifft an der Slipanlage des Bergwitzsees die letzten Vorbereitungen, zwei Hartschalenboote und ein Schlauchboot ins Wasser zu bringen.
"Das zählt nicht als Einsatz. Wir trainieren hier den Umgang mit dem Sonar. Aber warum sollen wir das auf der Goitzsche machen und dabei eine Puppe suchen, wenn wir hier genauso gut üben können - und eventuell dabei noch etwas Gutes tun können", erklärt Alexander Kölling, der Einsatzleiter der Männer und Frauen in Rot.
Innerhalb weniger Minuten sind die Boote zu Wasser gelassen. Am Strand wird der Einsatz vorbesprochen. Die Autoschlüssel bleiben bei den Kameraden an Land. "Wir nehmen nur das Notwendigste mit raus, aber auch genug Kleidung, dass wir nicht beim ersten Regentropfen zurück zur Base fahren müssen", sagt Kölling.
Die Boote werden besetzt. Mit tropfendem Neopren klettert Kölling über die Bordwand. Bootsführer Toralf Schröder hat da schon Kurs zur Sandbank gesetzt. Das Sonar läuft. Die englische Abkürzung steht für "sound navigation and ranging", was sich mit "Schall-Navigation und -Entfernungsbestimmung" übersetzen lässt. Auf einem IPad-großen Display wird der Grund des Bergwitzsees in einer Höhenlinie dargestellt. Daneben zeigt das Display den Echo-Blick nach rechts und links vom Bootsheck aus.
Frank Hebestreit sitzt auf dem Mittelplatz des Bootes und konzentriert sich auf die Anzeige. "Das Sonar zu bedienen ist eine Sache. Es richtig zu lesen und zu interpretieren, dazu gehört schon eine Portion Erfahrung", berichtet der Sonarführer. Wir brausen derweil über fünfzehn Meter tiefes Wasser. Die letzten Nebelschwaden, ausgelöst vom Regen der letzten Nacht, werden langsam von der stärker werdenden Sonne geschmolzen.
An der Sandbank angekommen klettert der Seeboden sehr schnell Richtung Wasseroberfläche. Bei 0,5 Meter ist Schluss. Ein akustischer Alarm ertönt im Boot - der geringe Tiefgang wird zur Gefahr für die Schraube des Außenbordmotors.
Rund um die Sandbank tuckert "Elbe 2012", so das Rufzeichen des Bootes, im Schritttempo um die Sandbank. Auf dem Sonar-Display zeichnen sich in bernsteinfarbenen Tönen Krautteppiche am Boden ab. Dazwischen sieht man die Umrisse eines Baums - ein Überbleibsel aus der Zeit, als der Bergwitzsee noch ein Kohle-Tagebau war. Wir setzen Kurs ans Ufer.
Wieder geht die Horch-Tour mit dem Sonar los. Erscheint etwas Merkwürdiges auf der Anzeige, setzt Frank Hebestreit einen Navigationspunkt mit dem GPS. Damit lässt sich später wieder metergenau zu dieser Position zurückfinden. Als ein größerer, schwarzer Punkt auf dem Sonar in neun Meter Tiefe auftaucht, stoppt das Boot. Ein Mini-Anker wird ausgebracht, eine gelbe Leine mit kleiner gelber Boje dient als Orientierung für den Freitaucher, der gleich aussteigt. Alexander Kölling zieht die Flossen an, setzt seine Taucherbrille auf. "Bitte von Bord gehen zu dürfen!", fragt er scherzhaft den Bootsführer. Der nickt. Mit einem Platsch ist Kölling in dem warmen Wasser, macht sich tauchbereit. Der Apnoe-Taucher braucht keine Pressluftflasche.
Frank Hebestreit kontrolliert die Tauchzeit seines Kameraden. Knapp über 30 Sekunden dauert es, dann taucht Kölling aus der Tiefe wieder auf. "Puh, das ist ganz schön kalt da unten", ruft er der Bootsbesatzung zu. Gefunden hat er: nichts. Mit einer Handlampe macht er sich noch zwei Mal auf den Weg in die Tiefe. Schlussendlich war es wohl ein großer Stein, der das Sonar anschlagen ließ.
Die Taktik wird geändert. Neben Kölling macht sich jetzt auch Freitaucher Dennis Rhode einsatzbereit. Mit Taucherbrille und Schnorchel wollen die beiden den Grund des Bergwitzsees von der Wasseroberfläche inspizieren. Bahn um Bahn schwimmen beiden um die "Elbe 2012". Toralf Schröder hat stets beide im Blick, der Motor tuckert mal im Leerlauf, mal im Schritttempo. Würde man den Außenborder richtig aufdrehen, erreicht das Boot eine Spitzengeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. Die Sonnenstrahlen werden intensiver. "Elbe 2012", ein sogenanntes Dreikielboot, begibt sich allein auf einen neuen Streckenabschnitt entlang des Ufers. Die Sicherung der beiden Schwimmer übernimmt das Nachbarboot "Elbe 2013". Auf dem Flachbodenboot hat Thomas Kölling, der Vater von Alexander, das Kommando.
Nach rund zweieinhalb Stunden werden die beiden Taucher an Bord geholt. Kurs zur Base. Gefunden hat die DLRG nichts. "Das wäre schön gewesen, aber wir können daran nichts ändern. Und wir sollten im Hinterkopf behalten: das war heute nicht das Hauptziel der Übung, sondern die Ausbildung unserer Leute", erklärt Alexander Kölling.
Am Donnerstag war die Polizei mit einem Hubschrauber, Tauchern und Leichenspürhunden im Einsatz. Sollte der Mann bis kommenden Mittwoch nicht gefunden sein, dann werde die Suche mit dem gleichen Kräfte- und Mitteleinsatz durch die Polizei wiederholt, erklärte am Freitagnachmittag Sebastian Opitz, Sprecher der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost in Dessau-Roßlau auf Nachfrage der Mitteldeutschen Zeitung.

