Behinderte Behinderte: Gestrandet in fremder Umgebung
Wittenberg - Eine Dreiviertelstunde warten über 40 Beschäftigte des Augustinuswerkes nach Feierabend in der Werkstatt am Wittenberger Heideberg auf den Bus. Ein Zumutung, meint die Sprecherin der Angehörigenvertretung Barbara Rudloff. „Es handelt sich um geistig behinderte Menschen.“
Als sie das Problem vor zwei Wochen beim Forum in Piesteritz schilderte, bekam sie vom Betriebsleiter der Firma Vetter, Hans-Jürgen Wolf, und dem zuständigen Fachdienstleister Holger Zubke die Auskunft, der ÖPNV könne nicht auf einzelne Personengruppen zugeschnitten werden. Das Augustinuswerk möge etwa mit Veränderung der Arbeitszeit selbst zur Problemlösung beitragen.
„Wenn wir die Arbeitszeit verändern, hat das Auswirkungen auf alle 300 Beschäftigten und zusätzlich noch für die Schüler an den Förderschulen“, so Matthias Monecke vom Vorstand gestern gegenüber der MZ.
Ein Drittel der Beschäftigten kommt mit den Öffentlichen, hauptsächlich mit dem Bus, in die Werkstätten. Es sind diejenigen, die keine Genehmigung für eine Beförderung mit einem Behindertenfahrdienst haben. Für jeden Einzelnen muss diese bei der Sozialagentur in Halle beantragt werden. „Wir hatten schon im Februar vergangenen Jahres Arbeitszeitveränderungen und bemühen uns seither bei der Firma Vetter und dem Landkreis, die Busabfahrtzeiten entsprechend geregelt zu bekommen. Da hieß es, man könne jetzt nichts tun, wir wurden auf den Fahrplanwechsel ab 2015 vertröstet. Jetzt ist alles noch komplizierter geworden“, so Monecke.
Die Wartezeiten seien nicht das einzige Problem. Nicht wenige Betroffene können sich nur durch kontinuierliche Abläufe orientieren, da wird das Umsteigen schon zur Hürde. Wie Monecke berichtet, sind Betroffene irgendwo auf dem Dorf gestrandet, weil sie - vermeintlich in der Stadtlinie - am Bahnhof im Bus sitzen geblieben waren. Sie hatten es nicht erfasst, dass es keine separate Stadtlinie in Wittenberg mehr gibt und die Busse übers Land weiterfahren.
In der Ausschusssitzung am Montag hat Barbara Rudloff das Problem erneut vorgetragen. Wolf versicherte, dass an einer Lösung gearbeitet werde. Monecke mag kaum noch daran glauben.
Auswirkungen hat das neue Buskonzept auch auf zwei Beschäftigte der Lebenshilfe-Werkstatt Roßlau aus Luko/Thießen. Sie hätten erst mit dem Bus nach Coswig fahren und dort in den Zug steigen müssen, um am Roßlauer Bahnhof vom Fahrdienst abgeholt zu werden. „Wir konnten sie direkt im Fahrdienst unterbringen“, berichtet Heike Parusel von der Lebenshilfe. (mz/teo)